Neues Deutschland: zur Rüge des Europäischen Gerichtshof über Sicherungsverwahrung in Deutschland

Gerade erst war es ruhiger geworden um die
Sicherungsverwahrung, nun zwingt der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte die Deutschen erneut, sich mit dem bzw. den gern
Verdrängten zu befassen. Er hat eine weitere Möglichkeit, die
Sicherungsverwahrung zu verhängen, gerügt. Noch immer sitzen Menschen
zu Unrecht im Gefängnis. Wenn der Staat jemandem die Freiheit
entzieht, muss er das direkt im Anschluss an eine Straftat
beschließen, nicht irgendwann. Alles andere ist Willkür. Starke
Einwände gegen die Anordnung der Sicherungsverwahrung erst am Ende
der Haftzeit gab es von Anfang an, möglich war es trotzdem von 2004
bis 2010. In Bayern sogar länger. Das Urteil überrascht nur jene,
die es nicht besser verstehen wollten. Denn schon im EGMR-Urteil von
2009 zur rückwirkenden Verlängerung der Sicherungsverwahrung war die
Position klar: Es muss einen Kausalzusammenhang zwischen Verurteilung
und fortdauerndem Freiheitsentzug geben, hieß es schon damals.
Dennoch gab es ewiges Gezerre, bis die nachträgliche Anordnung
wirklich weitgehend gestrichen wurde. Die gestrigen Urteile führen
erneut vor Augen, dass es sich die Deutschen zu leicht machen, wenn
es gilt, zwischen dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit und den
Rechten von Straftätern einen Ausgleich zu finden. Erneut gibt es
»Altfälle«, die freigelassen werden müssen. Die Diskussion sollte
diesmal gelassener geführt werden. Mit Hysterie kommt man nicht
weiter.

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