Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten in
Kurzfassung: Gemeinsamkeit, Zusammenhalt, Zuversicht, Heimat,
Sicherheit, Stolz auf unser Land. Nichts Neues also, nur die alten,
seifigen, lauwarmen Neppworte. Neu aber ist die Inszenierungstechnik:
Als eine Art hölzerner Märchenonkel steht Wulff inmitten einer
erkennbar handverlesenen Schar von »Gästen«, die aussehen wie
Laiendarsteller, die man mit einem überdimensionierten Schraubstock
im Szenenbild festgeschraubt und denen man offenbar verboten hat, die
Hände in die Hosentaschen zu stecken. Es sind Wulff zufolge »Frauen
und Männer, die meine Frau und ich in diesem Jahr kennengelernt
haben«. Ihre Anwesenheit soll dem Betrachter suggerieren, dass die
Öffentlichkeit gebannt und euphorisiert bis in die Haarspitzen
Väterchen Wulffs Ansprache lauscht. Man wirft hier einen Blick in
eine Parallelwelt, die mit der Realität so viel zu tun hat wie eine
Puppenstube mit einem Schlachthaus. In Wulffs kiloschwer mit
Zuckerguss versehener Puppenstubenwelt ist nichts wahr: Jede Geste
erscheint dem Zuschauer wie stundenlang einstudiert, die
Betroffenheitsmiene wirkt wie eine erstarrte Grimasse. Die Mutmaßung,
dass das Amt des Bundespräsidenten eines ist, für das ein gehöriges
Maß an Realitätsverlust die wichtigste Voraussetzung ist, ist nach
der Betrachtung dieser Szene nicht mehr abwegig. Die Hauptaufgaben
des Präsidenten, starres Lächeln, mechanisches Händeschütteln und
Zurschaustellen gebügelter Oberhemden, fallen dann auch leichter
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