NRZ: So sind eben die Spielregeln – ein Kommentar von KNUT PRIES

Dass die EU in Brüssel den Export-Europameister
Deutschland mit einem Prüf-Verfahren wegen zu hoher
Handelsüberschüsse überzieht, hat hierzulande schon vorab Empörung
ausgelöst. Die einen finden es prinzipiell unerhört, dass die
EU-Zentrale es wagt, gegen das größte und wirtschaftlich
erfolgreichste Mitgliedsland wegen vermeintlicher ökonomischer
Fehlsteuerung vorzugehen. Die anderen stellen zwar dieses Recht der
Kommission nicht in Frage, halten aber seine Anwendung im
vorliegenden Fall für verfehlt. Beides geht an der Sache vorbei.Die
Einmischung der Kommission ist Teil einer verstärkten
Gruppen-Disziplin, auf die niemand größeren Wert gelegt hat als die
Deutschen. Für die Begutachtung und gegebenenfalls Behandlung
volkswirtschaftlicher „Ungleichgewichte“ gibt es ein festgelegtes
Verfahren und festgelegte Kriterien, mitbeschlossen von der
Bundesregierung. Die meisten Euro-Länder stecken bereits in dieser
Prozedur, jetzt auch Deutschland. Das war absehbar und ist keine
Unverschämtheit, sondern die Anwendung der Spielregeln. Und die
Bedenken sind nicht alle aus der Luft gegriffen. Angeblich geht es
den weniger tüchtigen Ländern und ihren Schutzpatronen in Brüssel
darum, deutsche Leistungsfähigkeit auf ein Niveau zu senken, auf dem
andere mithalten können. So einfach sollte man es sich indes nicht
machen. Zuviel der schönen deutschen Überschüsse landet unproduktiv
im Ausland. Derweil sind die Investitionen im eigenen Land im
Verhältnis zu Wirtschaftsleistung rückläufig und liegen unter denen
anderer Euroländer. Die Kommission fragt zurecht, ob das eigentlich
im deutschen Interesse sein kann.

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