Oskar Lafontaine hat seinen Verzicht auf eine
Kandidatur für den Parteivorsitz der Linken auch mit seiner
Erschöpfung begründet. In einem Gespräch mit dem Hamburger Magazin
stern sagt er, „manchmal bin ich schon müde“, auch wenn seine
Leidenschaft fürs Politische nicht gebrochen sei. Ihm sei es schwer
gefallen, sich als Kandidat nochmals zur Verfügung zu stellen. Aber
er sei dazu „gedrängt“ und „aufgefordert“ worden – fast gegen seinen
Willen. Er habe sich in den letzten Wochen schon auch gefragt, „ob er
blöd“ sei, dass er sich darauf eingelassen habe? „Es war ein innerer
Kampf. Ich habe deswegen nächtelang schlecht geschlafen“, sagte
Lafontaine. Es sei einfach „ein massiver Verlust an Lebensqualität,
nochmals Parteivorsitzender zu werden“.
Der 68-Jährige zum stern: „Jeder Politiker muss aufhören, wenn er
spürt, dass seine Kräfte nachlassen und dass andere die Aufgaben, die
er sich selbst noch zumuten würde besser machen.“ Auf den Einwand,
dass er nur ohne Gegenkandidat habe antreten wollte, dass dieses
Verhalten anmaßend, autoritär und undemokratisch sei, meinte
Lafontaine: „Kohl, Merkel, Schmidt, Genscher, Schröder – sie alle
wurden in der Regel Parteivorsitzende oder Kanzlerkandidaten nach
Hinterzimmer-Absprachen. Sind das also keine Demokraten?“ Im Übrigen,
so fragt sich Lafontaine, „wie wäre die Kampfkandidatur medial
verarbeitet worden? Es hätte geheißen, da kämpft ein alter Herr, der
von der Politik partout nicht lassen kann, nochmals verbissen um die
Macht. Dazu war ich mir zu schade“.
Seit der Bundestagswahl 2009 hat die Linke fast die Hälfte ihrer
Wähler und Zustimmung verloren. Lafontaine erklärt sich das unter
anderem mit der Art, wie die Medien organisiert sind: „Wenn wir eine
Millionärssteuer fordern, werden schon manche Chefredakteure sauer.
Unsere Gerechtigkeitsinteressen widersprechen diesen Interessen der
Reichen.“ Im stern-Gespräch widersprach Lafontaine der Unterstellung,
sein Verhalten in den vergangen Monaten habe die Links-Partei fast
zerstört habe. Lafontaine: „Dass ich Parteizerstörer sein soll, das
ist nun wirklich lustig! Mit mir hatte die SPD 1998 ein Wahlergebnis
von 40, 9 Prozent, als ich Linkenchef war, kam die Partei auf 11, 9
Prozent! Ich wünschte, die Linke hätte noch viele solcher
Parteizerstörer!“
1998, als Lafontaine Finanzminister in der Regierung Schröder war,
nannte ihn die britische Presse „den gefährlichsten Mann Europas“.
Nun urteilt er ähnlich harsch über die Kanzlerin Angela Merkel:
„Denkt Frau Merkel eigentlich nach?“ so Lafontaine zum stern, „was
ihr Spardiktat den Menschen antut?“ Frau Merkel setze mit ihrer
Autoritätspolitik um, „was die Banken haben möchten. Die Banken aber
führen Krieg gegen die Völker Europas. Sie muss mit immer mehr
Steuergeld, mit hunderten Milliarden Euro, den Schaden reparieren,
den sie anrichtet.“
Lafontaines Fazit über Merkel lautet daher: „Sie ist nicht nur die
gefährlichste, sondern auch die teuerste Frau Europas.“ Die
Kanzlerin, so Lafontaine, durchschaue den Finanzmarkt nicht und so
gefährde sie „den Euro, sie gefährdet die Idee von Europa, die
Demokratie und den Sozialstaat“.
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