Angela Merkels verspätete Sommer-Show gestern vor
der nationalen und internationalen Presse sollte vor allem zwei
Signale senden. Erstens: Die mächtigste Frau Europas übernimmt wieder
entschieden die Regie, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit
seinem wegweisenden Urteil zur EU-Rettungspolitik und der Chef der
Europäischen Zentralbank zuletzt die Weichen in Sachen Euro zu
stellen schienen. Und zweitens: Merkel inszeniert sich als Garantin
für Stabilität und Augenmaß in jener dramatischen Krise, die seit
Jahren die Europäer und die übrige Finanzwelt in Atem hält. Diese
Melodie passt blendend zum Ansehen als große Kümmerin, das die
Kanzlerin bei der Mehrheit der Deutschen genießt. Nur passt sie viel
weniger gut zur politischen Praxis. Denn zum Regieren gehört ein
klarer Kurs. Entschiedene Positionen mied die CDU-Vorsitzende
allerdings – wieder einmal. Was soll man davon halten, wenn die
Regierungschefin zumindest verbal Bundesbank-Chef Weidmann den Rücken
stärkt, um fast im selben Atemzug zu bekräftigen, dass dessen
Kontrahent, Euro-Banker Draghi, mit seinem Anleihen-Kauf richtig
liegt? Merkel ließ auch die Chance verstreichen, ihre zerfransende
Koalition zur Ordnung zu rufen. Auf ein deutliches Kanzlerinnen-Wort
zur Renten-Debatte, zum Endlos-Streit um das Betreuungsgeld oder die
Querschüsse aus der CSU wartete man gestern vergebens. Das lässt
befürchten: Für die Rest-Laufzeit der Wahlperiode hat diese Koalition
innenpolitisch die Arbeit fast eingestellt. Die ironische Pointe:
Merkel kann es sich leisten. Ihre größte Stärke ist die Schwäche der
Opposition.
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Ostsee-Zeitung
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