Ostthüringer Zeitung: Knut Pries kommentiert: Sprachtest zu grobschlächtig

Das Urteil der EU-Gerichts zum Deutschlandtest für
Ausländer ist formal sehr eng ausgerichtet. Unmittelbar besagt es für
die deutschen Vorschriften (kein Deutsch, kein Nachzug zum Ehemann)
lediglich: So einfach, so bürokratisch-schematisch darf man es sich
nicht machen. Auf den Fall bezogen heißt das: Frau Dogan, eine
Türkin, die nicht lesen und schreiben kann, darf zu ihrem Mann nach
Deutschland.

Es wäre ja auch noch schöner. Frau Dogan kann Kenntnisse in der
Schriftsprache auch in ihrer Heimat nicht vorweisen. Und mehr als
zwei Millionen Bundesbürger, des Schreibens ganz oder weitgehend
unkundig, können es in ihrer Muttersprache ebenfalls nicht. Das
deutsche Aufenthaltsrecht, das die Möglichkeit von körperlicher oder
geistiger Behinderung durchaus in Rechnung stellt, hat den
Analphabetismus schlicht vergessen. So gesehen beseitigt der Spruch
des EU-Gerichts lediglich einen handwerklichen Mangel.

Der Gesetzgeber sollte es aber nicht mit dessen Behebung bewenden
lassen. Es gibt mehr zu tun als eine Flexibilisierung der
Vorschriften im Hinblick auf Analphabetismus. Sprache ist ein
wichtiges Mittel, ja die notwenige Voraussetzung der Integration. Der
Sprachtest ist indes ein grobschlächtiges Instrument zum Vollzug
dieser Notwendigkeit. Entsprechend muss der Gesetzgeber den Akzent
neu setzen: Es geht nicht darum, möglichst viele Unberechtigte
draußen (also auf Distanz zu ihren Gatten) zu halten, sondern
möglichst vielen auch über die Sprache einen Zugang zur deutschen
Gesellschaft zu eröffnen.

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