Pressemitteilung der Bundesärztekammer / Bewusstsein von Ärzten für seltene Erkrankungen schärfen

In Deutschland werden mehr Spezialisten und
spezialisierte Einrichtungen für die Behandlung von Patienten mit
seltenen Erkrankungen benötigt. Darauf verwiesen Experten auf dem 35.
Interdisziplinären Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“
der Bundesärztekammer in Berlin. Die Vorgehensweise bei der
Diagnosestellung von seltenen Erkrankungen müsse auch stärker Eingang
in die Weiter- und Fortbildung von Hausärzten finden.

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer der
5.000 bis 7.000 weltweit bekannten seltenen Erkrankungen. Eine
Krankheit gilt als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000
Menschen von dieser betroffen sind. Die meisten dieser Krankheiten
sind genetischen Ursprungs und gelten als nicht heilbar. Zu ihnen
zählen beispielsweise der Leukozytenadhäsions-defekt Typ 2, aber auch
die Osteogenesis imperfecta, auch bekannt als Glasknochenkrankheit.
Vor allem Kinder und Jugendliche sind betroffen, aber zunehmend auch
Erwachsene. „Das Problem bei seltenen Erkrankungen ist die oftmals
schwierige und langwierige Suche nach einer Diagnose“, erklärte Dr.
med. Christine Mundlos von der Allianz Chronischer Seltener
Erkrankungen e.V. (ACHSE), einem Netzwerk von
Patienten-organisationen, die seltene Erkrankungen vertreten, auf der
Fortbildungsveranstaltung. Häufig müssten die Patienten mit ihren
komplexen körperlichen Beschwerden erst jahrelang von Arzt zu Arzt
laufen, bis eine seltene Erkrankung erkannt werde. Vielen Ärzten
fehle das Bewusstsein, dass der Patient an einer seltenen Erkrankung
leiden könnte. „Wenn Symptome nicht richtig eingeordnet werden
können, hat das Folgen für die Diagnosestellung und Therapie. Das ist
für die Patienten sehr frustrierend“, betonte Mundlos.

Liege eine Diagnose vor, beginnt die mühsame Suche nach Therapien
und Medikamenten. Das Netzwerk ACHSE hat es sich deshalb zur Aufgabe
gemacht, Ärzte für seltene Erkrankungen zu sensibilisieren und bei
Fragen zu Patienten mit seltenen Erkrankungen zur Seite zu stehen.
Mundlos ist bei der ACHSE Ansprechpartner für ratsuchende Ärzte und
Therapeuten. Für Anfragen, die an sie gerichtet werden, stellt sie
den Kontakt zu Experten her, um die behandelnden Ärzte beim Umgang
mit seltenen Erkrankungen oder ungeklärten Diagnosen zu unterstützen.
Die Recherche nach Experten gestaltet sich oft schwierig. „Um die
notwendige und umfassende Versorgung von Betroffenen gewährleisten zu
können, fehlt es in Deutschland an Spezialisten und spezialisierte
Einrichtungen“, kritisierte Mundlos.

Insbesondere Hausärzte, die meist der erste Ansprechpartner von
Patienten sind, könnten viel zu einer zielgerichteten Therapie
beitragen. Dr. Diethard Sturm vom Institut für Hausärztliche
Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband sagte: „Die hausärztliche
Patientenbetreuung wird dominiert von chronischen und häufigen akuten
Krankheiten. Darauf sind Weiter- und Fortbildung sowie
Betreuungsprogramme ausgerichtet.“ Deshalb sei es wichtig, Hausärzte
bei Weiterbildungen zur hausärztlichen Arbeitsmethodik auch für das
Erkennen seltener Krankheiten zu schulen. Zur Mitbetreuung von
Patienten mit seltenen Erkrankungen müsse der Hausarzt jeweils
fallbezogen durch den Spezialisten mit geeigneten Mitteln
fortgebildet werden. Das könne Literatur, e-learning oder der
qualifizierte Arztbrief sein. Die Aus-, Weiter- und Fortbildung müsse
also auf die Strategie, auf das Verhalten bis zur Lösung des
Patientenproblems gerichtet sein und nicht auf die Vermittlung von
Kenntnissen zu Einzelerkrankungen, die von Infektionskrankheiten und
rheumatischen Erkrankungen über Tumoren bis hin zu genetisch
determinierten Krankheiten bzw. angeborenen Defekten reichen. „Von
den Spezialisten erwarte ich die Darstellung der Erstsymptome und
Begleiterscheinungen, damit die seltenen Erkrankungen in die
strukturierte Diagnostik nach Ausschluss der häufigen Erkrankungen
eingehen“, sagte Sturm. Der Allgemeinmediziner wies darauf hin: „Die
seltenen Erkrankungen treten per definitionem maximal einmal jährlich
beim Hausarzt auf, manche im ganzen Arztleben nicht.“

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