Ein Kommentar von Matthias Beermann:
Seine Gegner haben ihn gerne als Zauderer verspottet, oder –
schlimmer noch – als Schwächling. Deswegen kann man es Barack Obama
nicht verübeln, dass er sich jetzt als Mann präsentiert, der Nägel
mit Köpfen macht. Er weiß ganz genau, dass sich die Amerikaner nach
so einem sehnen, in diesen unsicheren Zeiten. Also schlüpfte Obama
wenigstens für die Zeit eines Interviews in die Rolle des zupackenden
Befehlshabers, der eiskalt entscheidet. Auch wenn es natürlich nicht
ganz so war, und Obama lange mit sich gerungen hat, bis er das
Kommandounternehmen gegen Osama bin Laden anordnete. Dass er es dann
getan hat, beweist allerdings eine ordentliche Portion politisches
Mutes. Wäre die Aktion misslungen, hätte er seine Wiederwahl
abschreiben können. Die Amerikaner entdecken einen neuen Obama, doch
das könnte für den Präsidenten auch zur Last werden. Denn die in
seiner verbleibenden Amtszeit anstehenden Entscheidungen wird er
nicht einsam wie ein Feldherr fällen können. Um die amerikanische
Wirtschaft endlich aus der Rezession zu führen, reicht kein Befehl an
die Navy Seals. Die Bin-Laden-Aktion gehorchte, bei aller
Risikoabwägung, einem einfachen Schema: Gut gegen Böse, ganz
schwarz-weiß gedacht. Politik ist aber vor allem eines: grau.
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