Rheinische Post: Der Reform-Papst = Von Lothar Schröder

Glasnost im Vatikan! Ungefähr diese Stimmung
ist es, die jetzt jeden Tag mit jedem neuen Wort des noch neuen
Papstes durch die Welt getragen wird. Der jüngste Paukenschlag ist
eine Art K-8-Gipfel, bei dem acht Kardinäle aus aller Welt im Vatikan
über eine Reform der Kurie beraten. Und befeuert werden die
Beratungen vom Heiligen Vater, der den vatikanischen Hofstaat als
Lepra des Papsttums bezeichnete. Fast fühlt sich das an wie ein neues
Konzil, dabei ist es nur die Umsetzung des Zweiten Vaticanums aus der
Mitte der 60er Jahre. Diesmal jedoch dürfte es für die Kurie ernst
werden. Zwar ist Franziskus kein Liberaler; er setzt erkennbar die
Theologie seines Vorgängers fort. Aber er ist auch kein Träumer, er
gilt als machtbewusst und durchsetzungsstark. Ohne rückendeckende
Hausmacht wird er keine Reform in die Wirklichkeit zwingen. Der
frische Wind tut uns gut; er ist evangeliar – also eine frohe
Botschaft. Doch wird man sich auch fragen müssen, wie versteinert
dieser Kirchenstaat viel zu lange war, wenn wir uns schon darüber
freuen dürfen, dass die Vatikanbank erstmals eine Jahresbilanz
veröffentlicht.

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621