Rheinische Post: Kluges Urteil Kommentar Von Martin Kessler

Wer denkt nicht an Inquisition oder finstere
Machenschaften, wenn es um das Strafgericht der Kirche geht. Dass
dies längst Vergangenheit ist, zeigt das Urteil gegen den ehemaligen
Kammerdiener des Papstes, der diesem eine gewaltige Zahl von höchst
vertraulichen Dokumenten gestohlen hatte. Er missbrauchte die
absolute Vertrauensstellung, die ihm Papst Benedikt XVI.
entgegengebracht hatte. Doch das vatikanische Tribunal ging nicht mit
der ganzen Strenge des Gesetzes gegen den Dokumentendieb vor, sondern
ließ Milde walten. In diesem Urteil, dem der Papst wahrscheinlich die
Begnadigung folgen lässt, verbindet sich die Rechtsstaatlichkeit der
katholischen Kirche mit christlicher Vergebung. Der Papst mag der
letzte absolute Monarch in Europa sein, im Vatikan wird jedenfalls
strikt nach den Regeln von Recht und Gesetz entschieden. Ungeklärt
bei dem Prozess bleibt, ob Gabriele ein Einzeltäter war oder im
Auftrag Dritter handelte. Er selbst bezeichnet etwas verquast den
„Heiligen Geist“ als Anstifter, was wenig glaubhaft wirkt. Aber
vielleicht ist es der Kirchenspitze ganz recht, dass der Papstdiener
schweigt. Dem Ansehen des Vatikans hat die „Vatileaks“-Affäre schon
genug geschadet.

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