Erfahrene Juristen hielten bereits Mitte April
den Atem an, als Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem
Antrittsbesuch in Brüssel in gewohnt locker-jovialer Art einen Stopp
des dauerhaften Euro-Rettungsschirmes ESM durch das
Bundesverfassungsgerichtes für unwahrscheinlich hielt. Würde sich das
eine Verfassungsorgan (Gericht) vom anderen Verfassungsorgan
(Präsident) derart präjudizieren lassen? Die Antwort knallte Gauck
gestern vor die Füße: Der Präsident möge den Richtern nach der
Beschlussfassung in Bundestag und Bundesrat noch Zeit lassen, bevor
er das ESM-Gesetzeswerk unterschreibe. Damit spannte das höchste
deutsche Gericht gleich vier Rösser vor eine Retourkutsche. Es
verwies auf die gute Übung in der Vergangenheit und empfahl Gauck
damit, sich an der zurückhaltenden Praxis seiner Vorgänger zu
orientieren. Der Hinweis auf „genügend Zeit zur Prüfung“ macht die
verfassungsrechtliche Hackordnung klar: Hier hat Karlsruhe den Hut
auf. Zudem lassen die Richter die Koalition spüren, dass ein
Parforceritt auch neue Risiken für Zeitpläne bedeuten kann. Und
schließlich macht es zwei Tage nach seiner Entscheidung zur
mangelhaften Beteiligung des Bundestages an der Euro-Politik klar,
dass diese Vorgaben unbedingt zu erfüllen sind: Auch für Bedenken der
Linken und anderer Gruppen muss Raum bleiben.
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