Rheinische Post: Schavans Person und Gewissen

von Sven Gösmann

Wie für jeden anderen Beschuldigten gilt auch für die
Bundesbildungsministerin bis zum Beweis des Gegenteils die
Unschuldsvermutung. Jedoch wiegt der Verdacht schwer, Annette Schavan
könnte eine Promotionsbetrügerin sein. Ausgerechnet Deutschlands
ranghöchste Bildungshüterin muss jeden Anschein vermeiden, sie habe
es bei der Gestaltung ihrer wissenschaftlichen Laufbahn, auf der ihre
politische Karriere fußt, mit der Wahrheit nicht so genau genommen.
Diesen Vorwurf auszuräumen, wird Schavan nach dem nun
bekanntgewordenen Urteil des Düsseldorfer Erstprüfers der
Schavan–schen Dissertation „Person und Gewissen. Studie zu
Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger
Gewissensbildung“ außerordentlich schwerfallen. Die bisher in
Düsseldorfer Hochschulkreisen am häufigsten zu hörende Auffassung,
Schavan habe lediglich eine schlechte Arbeit („aus 50 Büchern ein 51.
gemacht“) an einem seinerzeit schwachen Fachbereich abgeliefert,
dürfte jedenfalls nicht haltbar sein. Schavan, die im Fall des
Wissenschafts-Betrügers Guttenberg die Messlatte in Sachen Wahrheit
und Klarheit für andere sehr genau anlegte, muss sich nun selbst
prüfen: Kann, wer solche Vorwürfen aus der wissenschaftlichen
Gemeinschaft ausgesetzt ist, weiterhin deutsche Bildungspolitik
gestalten?

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621