Rheinische Post: Sozialdemokraten pokern hoch = Von Eva Quadbeck

Kanzlerin Angela Merkel gilt als Meisterin des
Abwartens. Diese häufig kritisierte Eigenschaft kann ihr in den
nächsten Wochen und Monaten zur wichtigsten Tugend werden. Die
Sozialdemokraten setzen im Poker um die Koalition auf Zeit und
negieren die zur politischen Spruchweisheit gewordene Erkenntnis
ihres früheren Parteichefs Müntefering, wonach Opposition „Mist“ sei.
Diese Haltung ist Teil der Preistreiberei. Solche taktischen
Spielchen im Vorfeld gehören zu politischen Verhandlungen wie die
bunten Blätter zum Herbst. Die SPD muss allerdings aufpassen, dass
sie den Bogen nicht überspannt. Wer hoch pokert, kann auch hoch
verlieren. Mit der Ankündigung, die Basis über eine große Koalition
abstimmen zu lassen, hat sich Parteichef Gabriel mehr Kampfgewicht
für die Verhandlungen zugelegt. Das war schlau. Zugleich hat er
seiner Basis das Gefühl vermittelt, sie werde mit am Kabinettstisch
sitzen. Das wiederum ist brandgefährlich. Denn die SPD wird in einer
großen Koalition als Juniorpartner auch große Kompromisse machen
müssen. Dies zu akzeptieren, braucht Zeit. Von den Sondierungen am
Freitag sind noch keine wegweisenden Entscheidungen zu erwarten.

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