Rheinische Post: Vorlage für Taliban

Ein Kommentar von Matthias Beermann:

Seit einem Jahrzehnt sind amerikanische Soldaten in Afghanistan im
Einsatz. Nach so langer Zeit, so sollte man meinen, dürfte sich bei
der Truppe herumgesprochen haben, dass der Umgang mit religiösen
Symbolen in dem zutiefst konservativen Land eine gewaltige Portion
Fingerspitzengefühl verlangt. Was also mag die Soldaten geritten
haben, Koran-Exemplare in einen Verbrennungsofen zu stopfen?
Ahnungslosigkeit? Gedankenlosigkeit? Oder war es doch diese obszöne
Überheblichkeit, mit der sich jüngst auch Scharfschützen der Marines
beim Urinieren auf die Leichen ihrer Gegner fotografieren ließen? Am
Ende ist es fast egal – der Ruf der ausländischen Truppen in
Afghanistan wurde durch diese stupide Tat ein weiteres Mal
ramponiert. Längst gelten sie einer Mehrheit der Afghanen nicht mehr
als Befreier oder Beschützer, sondern als rüpelige Besatzer. Das
ließe sich vielleicht verschmerzen, wenn die wichtigste Mission der
internationalen Truppe nicht ausgerechnet der Kampf um das Vertrauen
der Menschen wäre. Die Koran-Schändung ist eine direkte Vorlage für
die Propaganda der Taliban. Jetzt können sich die selbst ernannten
Gotteskrieger, die skrupellos Kinder in den Tod schicken, über die
„Barbarei“ ihrer Feinde empören. Es ist zum Verzweifeln.

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