Rheinische Post: Wahlkampf auf japanische Kosten

Kommentar Von Sven Gösmann

Menschen irren auf der Suche nach
Familienangehörigen durch die Trümmer, ein Volk und die Welt starren
voller Furcht auf die wohlmöglich schmelzenden Reaktoren von Fushima
und Onagawa. Japan wartet nicht mehr auf den Größten Anzunehmenden
Unfall. Er ist längst da. Der Inselstaat wird von der schlimmsten
humanitären Katastrophe seit dem Abwurf der beiden US-Atombomben 1945
getroffen. Es gilt, das unfassbare Leid zu respektieren und den Mut
der Helfer zu würdigen. Es bräuchte einen Moment des Innehaltens, des
Gebets. Doch was passiert in der deutschen Innenpolitik? Kommenden
Sonntag sind Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, in 14 Tagen in
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westfalen könnte
es in wenigen Monaten so weit sei. Also wird Wahlkampf gemacht, quasi
auf dem Rücken der Opfer von Miyagi. Der Kampf gegen die Kernkraft
ist ein mobilisierendes Element des rot-grünen Wählerlagers. Gerade
die Grünen warteten nicht einmal die ersten gesicherten Nachrichten
ab, um ihre Anhänger zum Atom-Wahlkampf zu rufen. Hinweise, dass die
japanischen Reaktoren in vollem Risikobewusstsein in
erdbebengefährdeten Gebieten, zudem in einer in Europa weniger
verbreiteten Technik gebaut wurden, verhallten ungehört. Stattdessen
werden Ängste geschürt, beherrschen Experten von einseitig
interessegeleiteten Institutionen wie Öko-Institut und Greenpeace die
Fernsehnachrichten. Um nicht missverstanden zu werden: Die Kernkraft
ist eine Technik, auf deren Ende sich alle Parteien mit den
Energieversorgern verständigt haben. In Deutschland geht das
Atomzeitalter zu Ende. Allerdings stehen wir mit diesem Schritt
weltweit (noch) allein. Einzig das Datum des Ausstiegs ist strittig.
Nun müssen die Alternativen weiter entwickelt und ausgebaut werden.
Energie, die sicher, weniger angstbesetzt, erneuerbar und bezahlbar
ist. Deshalb ist die aktuelle Atom-Diskussion nicht in erster Linie
eine politische, sondern eine des Stils. Man möchte sich beim
japanischen Volk für Claudia Roth und Co. entschuldigen.

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303