Moderne wagen
Joseph Ratzinger hat mit seinem Rücktritt als Papst einen für die
katholische Kirche modernen Schritt getan: Das Amt muss nicht auf
Lebzeit bekleidet werden. Was kann das für seinen Nachfolger heißen?
Ab sofort das Papstamt nur noch für einen begrenzten Turnus? Zehn
Jahre, dann wird ein Neuer gewählt? Vielleicht wäre diese Idee für
den Vatikan ein Schritt zu viel Verweltlichung. Sie würde aber eine
Chance bergen: Die Kardinäle könnten einen Jüngeren aus ihrer Mitte
ernennen, der noch genug Kraft hat für dringend notwendige Reformen.
Einige Purpurträger mit Anfang 60 stehen zur Wahl. Denn dass der
Papst nicht nur ein guter Theologe sein, sondern sich auch innerhalb
der vatikanischen Administration durchsetzen muss, das hat Benedikts
letztes Amtsjahr gezeigt. Nach der Vatileaks-Affäre wird der neue
Pontifex unter der Kuppel des Petersdoms aufräumen, das Dickicht aus
Korruption, Vetternwirtschaft und Exzessen lichten müssen. Was der
katholischen Kirche fehlt: Aufgeschlossenheit gegenüber Frauen,
Geschiedenen, Homosexuellen, Protestanten. Statt sich hinter Dogmen
zu verstecken, sollte die Kirchenführung die weltoffene Botschaft
Jesu fürs 21. Jahrhundert definieren. Wenn überhaupt, kann der
Vatikan nur so verloren gegangenes Vertrauen – gerade auch unter
jungen Christen – zurückgewinnen.
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Rhein-Neckar-Zeitung
Dr. Klaus Welzel
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