Schwäbische Zeitung: Der Sicherheitsarchitektur fehlt die Statik – Leitartikel

Wenn man den obersten Wächter über die innere
Sicherheit in Deutschland – das ist der Bundesinnenminister – mit
einem Reeder vergleichen wollte, dann wäre festzustellen: Er betreibt
seine Geschäfte nicht mit einem Tanker, sondern mit einer Vielzahl
kleinerer und größerer Schiffe, manche in Verbünden, manche allein
segelnd. Die Funkverbindung zwischen den Schiffen funktioniert mal
besser, mal schlechter, mal gar nicht, und die
Direktionsmöglichkeiten des Reeders sind stark eingeschränkt, weil es
viele Subunternehmer gibt, die ihre Kapitäne einen eigenen Kurs
steuern lassen. Eine solche Reederei stellt ein schwieriges
Geschäftsmodell dar.

Konkret: Die über Jahrzehnte mit Sorgfalt und Gründlichkeit
errichtete Sicherheitsarchitektur in Deutschland hat keine
ordentliche Statik mehr. Dabei sind ihre Schwachstellen aus
ursprünglichen Stärken des Staates entstanden. Das ist zum einen
seine föderale Struktur, in der die Belange innerer Sicherheit primär
Ländersache sind. Das ist zum anderen das Gebot der Trennung von
Geheimdiensten und Polizeien.

Die eigentlich segensreiche Erfindung des Föderalismus hat in
Sachen innerer Sicherheit Reibungsverluste zur Folge:
Eifersüchteleien zwischen den einzelnen Landeskriminalämtern,
zwischen Landeskriminalämtern und Bundeskriminalamt, zwischen
Bundespolizei und Länderpolizeien und so weiter und so fort. Es wird
parallel ermittelt, Daten werden hier und dort geparkt, die
Kommunikation funktioniert mal besser, mal schlechter.

Auch das Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei weist
zwischenzeitlich anachronistische Züge auf. Es sollte ursprünglich
garantieren, dass nie mehr eine Organisation wie die Gestapo
entstehen kann. Aber ist diese Gefahr noch im Entferntesten
realistisch? Realität ist jedoch leider, dass der
Informationsaustausch zwischen Geheimdiensten und
Strafverfolgungsbehörden mehr schlecht als recht funktioniert.
Deshalb: Die Gesamtstatik sollte neu berechnet werden. Der Anlass ist
da.

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