Schwäbische Zeitung: Leichtes Spiel für die Atomlobby – Leitartikel

Wer geglaubt hatte, die Atomlobby würde mit dem
von der deutschen Regierung verkündeten Ausstieg aus der Kernkraft
klein beigeben, sieht sich getäuscht. Zu groß sind die Verlockungen,
zu viel Geld lässt sich mit Strom verdienen, als dass
milliardenschwere Konzerne freiwillig auf ihre Renditen verzichten.
Und zu unbequem ist die Aussicht, dass landauf, landab kleine
Genossenschaften ihre Stromerzeugung selbst in die Hand nehmen und
das profitable Oligopol der Großen unterminieren.

Mit dem Umweg über atomgläubigere Länder versuchen die Lobbyisten
nun mehr, als nur an die Subventionsfleischtöpfe in Brüssel zu
gelangen. Es geht auch darum, die in Deutschlands
Bevölkerungsmehrheit in Ungnade gefallene Technologie wieder hoffähig
zu machen.

Und die kraftlose Reaktion aus Berlin zeigt, dass in der Regierung
durchaus wieder darüber nachgedacht wird, wie ein neuerlicher
Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg
möglicherweise begründet werden könnte. Das CO-Argument verfängt
schnell. Dabei werden viele Dinge geflissentlich übersehen: Dass die
Kernenergie in den vergangenen Jahrzehnten viele Subventionen
erhalten hat. Dass sie hochprofitabel ist und verlässlich
Milliardenrenditen in die Konzernkassen spült – nicht zuletzt
deshalb, weil die teure und ungelöste Endlagerfrage auf Kosten der
Allgemeinheit nach wie vor unbeantwortet ist. Und nicht zuletzt: Dass
Atomkraft schlicht und ergreifend keine regenerative Energie ist.

Doch Deutschland macht es seinen Nachbarn auch zu einfach. Denn
als strahlendes Vorbild taugt die hiesige Energiewende noch nicht: So
ist nicht nur unklar, wann die ersten Riesenwindräder vor der Küste
oder die Sonnenkraftwerke in der Wüste nennenswert Strom liefern. Es
fehlt auch die Idee, über welche Leitungen die Energie zu den
industriellen Kernen Deutschlands kommen soll. Solange Deutschland
diese Frage nicht überzeugend beantwortet, macht es sich verwundbar –
auch für durchsichtigen Lobbyismus.

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