Was bleibt, ist Kopfschütteln. Vielleicht auch
Scham. Von einem historisch beispiellosen Versagen sprechen alle
Fraktionen. Wie konnte es mitten in Deutschland passieren, dass
jahrelang eine Terrorgruppe fremdenfeindliche Straftaten verübt? Dass
der NSU mordend durch das Land ziehen kann und alle Behörden in die
falsche Richtung schauen? Doch mit Entsetzen ist es nicht getan.
Dass diese Taten unentdeckt blieben, ist nicht typisch nur für die
Polizei oder den Verfassungsschutz. Es ist symptomatisch. Jeder kann
seine eigenen Vorurteile prüfen. Ehefrau mit dem Messer erstochen?
Bestimmt ein türkischer Mann, ist die spontane Reaktion vieler
Menschen. Doch zur Professionalität von Ermittlungsbehörden muss es
gehören, eigene Vorurteile zu überwinden und immer wieder aufs Neue
in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln.
Von einem Verfassungsschutz, der diesen Namen verdient, muss
erwartet werden, dass er die Gefahren des Rechtsextremismus nicht
flächendeckend verharmlost, sondern tätig wird. Stattdessen hat sich
der Vorwurf, der Verfassungsschutz sei auf dem rechten Auge blind,
wieder einmal bestätigt. Und auch die Segnungen des bundesdeutschen
Föderalismus stehen erneut infrage, wenn sechs Polizeibehörden
jahrelang aneinander vorbei ermitteln.
Wenn der Bundestag am 2. September die Konsequenzen berät, sitzen
auf der Tribüne des Parlaments auch die Angehörigen der Opfer. Sie
haben einen Anspruch darauf, dass alle Erkenntnisse des Ausschusses
Folgen für die praktische Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz
haben. Dass die 50 Handlungsempfehlungen nicht in irgendeiner
Schublade verschwinden, sondern umgesetzt werden.
Es wäre schön, wenn man bald schon sagen könnte: Eine Wiederholung
ist ausgeschlossen. Doch wer die neuen Proteste gegen syrische
Flüchtlinge in Berlin und anderswo verfolgt, der weiß, dass man nicht
nur gute Ermittler, sondern auch eine starke Zivilgesellschaft
braucht, um gegen Fremdenfeindlichkeit zu kämpfen.
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