Schwäbische Zeitung: Scheiden tut gut — Leitartikel

Jetzt haben sich die katholischen Bischöfe also
zur Scheidung entschlossen: Sie wollen ihren Verlagskonzern
„Weltbild“ loswerden, weil Teile des vielfach verschachtelten
Unternehmens Geschäfte mit seichten oder – in katholischer Diktion –
sündigen Produkten betreiben. Der Schritt leuchtet ein, er war
spätestens nach der deutlichen Kritik des Papstes vor zwei Wochen de
facto unvermeidlich geworden.

Weniger einleuchtend kommt dagegen die diesbezügliche
Presseerklärung der Bischofskonferenz daher. Da wird den für den
Skandal hauptverantwortlichen Kirchenfunktionären der zweiten Reihe
das Vertrauen ausgesprochen; dafür wird jenen, die die traurige
Wahrheit ordnungsgemäß ans Licht gebracht haben, beleidigt eine
„verzerrende Darstellung“ vorgeworfen. Hier wird der Konflikt
erahnbar, der die katholische Kirchenorganisation in Deutschland vor
eine Zerreißprobe stellt.

Während Bischöfe aufrecht versuchen, ihre Botschaft klar zu
verkünden und sich an Evangelium und Papst orientieren, betreiben
Macher im Apparat Machtspielchen. Noch mit dem Rücken zur Wand
versuchen sie, die Oberhoheit über die Deutung des Skandals zu
behalten. Hier zeigt sich: „Weltbild“ ist nicht die einzige
Organisation, die zu 100 Prozent den Bischöfen gehört, und die
dennoch auf eigene Rechnung arbeitet. Hier haben die Chefs,
theoretisch mit ungeheurer Souveränität ausgestattet, ihre
Untergebenen in den Amtsstuben nicht mehr im Griff.

Vor zwei Monaten hat der Papst der katholischen Kirche in
Deutschland eine „Entweltlichung“ empfohlen. „Weltbild“ ist nicht der
schlechteste Beleg dafür, dass ein Konzern mit Milliardenumsatz nicht
so recht zum Kerngeschäft der Kirche passt – auch ohne Schmuddelware.
Die Gesetze, die für ein auf Gewinn-Maximierung fixiertes Unternehmen
gelten, sind nicht die Gesetze der Kirche. Die Scheidung von
„Weltbild“ kann nur ein Anfang sein. Kirche hat ja doch irgendwie mit
Glauben zu tun. Ist sie nicht glaubwürdig, kann sie ihren Laden
zumachen.

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