Stimmungsmache gegen die Energiewende: DieÖsterreich-Legende

Pressemitteilung

In teilweise schrillem Ton berichten Medien über eine prekäre
Stromversorgung in Süddeutschland infolge der Energiewende – Zuletzt
habe Anfang Dezember Strom aus Österreich die Bayern aus akuter
Stromnot gerettet – Recherchen der Deutschen Umwelthilfe ergeben: Die
Berichte sind aus heutiger Sicht falsch – Zur Zeit der
Österreich-Importe wurden unter anderem betriebsbereite Gaskraftwerke
in Bayern und Südhessen nicht angefahren – Nicht Knappheit bestimmte
den Kraftwerkseinsatz, sondern Betriebswirtschaft

Die Behauptung, die Stromversorgung im Süden Deutschlands habe im
vergangenen Dezember tageweise nur dank österreichischer Hilfe „mit
Mühe und Not“ aufrecht erhalten werden können, ist nach heutigem
Kenntnisstand falsch. Nach Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e. V.
(DUH) wurden am 8. und 9. Dezember, als tatsächlich Strom aus
österreichischen Reservekraftwerken nach Süddeutschland geliefert
wurde, Gaskraftwerke des E.on-Konzerns in Bayern und im südhessischen
Großkrotzenburg mit einer Leistung von 1.037 bzw. 1.400 Megawatt
nicht eingesetzt, obwohl sie betriebsbereit waren. Daneben standen
auch weitere Kohle- und Ölkraftwerkskapazitäten zur Verfügung, die
ebenfalls nicht genutzt wurden. Betriebswirtschaftlich war es zur
fraglichen Zeit offenbar günstiger, den Strom aus Österreich zu
importieren als zum Beispiel auf E.on-Strom aus den Erdgasblöcken
Irsching (Vohburg), Staudinger (Großkrotzenburg) und Franken
(Nürnberg) zurückzugreifen. Ungewöhnlich war auch der Import aus dem
Nachbarland nicht: Der deutsch-österreichische Stromverbund
funktioniert seit Jahren reibungslos.

In den vergangenen Tagen hatten verschiedene Medien, teils in
schrillem Ton (FAZ: „Vabanquespiel“ mit der Versorgungssicherheit,
Die Welt: „Österreich rettet deutsche Stromversorgung“), über den
Stromimport aus dem Nachbarland berichtet. Schuld an der immer
prekärer werdenden Situation seien die Abschaltungen von
Atomkraftwerken nach Fukushima, der Widerstand gegen den Bau neuer
Stromtrassen und der viele Windstrom aus Norddeutschland, der
gleichzeitig durch Bayern nach Italien exportiert wurde. Am Mittwoch
legte dann Hildegard Müller, die Hauptgeschäftsführerin des
Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), nach. Am
8.und 9. Dezember sei die „Systemstabilität im Süden Deutschlands in
Bedrängnis“ gekommen. Nur die Reservekapazitäten in Österreich hätten
die Bayern vor einem „Erzeugungsengpass“ bewahrt. Auch Frau Müller
war erkennbar schlecht informiert worden.

„Dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten für die
Energiewende hin zur Vollversorgung mit erneuerbarem Strom einen Um-
und Ausbau der Stromnetze benötigen, ist inzwischen eine
Binsenweisheit. Dass manchen, die diese Energiewende nicht wollen,
jeder hergeholte Anlass recht ist, um Stimmung gegen die
Transformation unseres Energiesystems zu machen, ist es ebenso“,
sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. „Nach unserem heutigen
Kenntnisstand gab es in den fraglichen Tagen im Dezember keine
prekäre Lage in der Stromversorgung Süddeutschlands, sondern nur ein
kühles betriebswirtschaftliches Kalkül des
Übertragungsnetzbetreibers. Dieses Kalkül kam offenbar zu dem
Ergebnis, dass es in der konkreten Situation günstiger war, den Strom
für die Systemsicherheit in Österreich einzukaufen, als ihn in Bayern
oder Südhessen zu akquirieren.“ Mehrkosten infolge der Anforderung
von Reservekapazitäten legen die Netzbetreiber auf die Netzentgelte,
also letztlich auf die Stromverbraucher um. Baake forderte die
Bundesnetzagentur (BNetzA) auf, den Vorgang aufzuklären und die
Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu unterrichten.

Die von der DUH durchgeführte Recherche zur Kraftwerksauslastung
in der Phase angeblich akuten Strommangels in Süddeutschland könne
jeder selbst nachvollziehen, indem er auf die Internetseiten von E.on
klicke (www.eon-schafft-transparenz.de), wo der Konzern
dankenswerterweise die tägliche Verfügbarkeit seiner Kraftwerke und
deren blockscharfe Stromerzeugung online dokumentiere. Demnach waren
die bayerischen Gaskraftwerke „Irsching 3“ (415 MW) am 8.12. bzw.
„Irsching 3“ und „Franken 1 – Block 1“ (363 MW) am 9.12. nicht in
Betrieb. An beiden Tagen war zudem der 622 MW-Gasblock des
Kraftwerks Staudinger im südhessischen Großkrotzenburg (nur fünf
Kilometer entfernt von der Landesgrenze nach Bayern) nicht am Netz.

„Wir gehen davon aus, dass es für den Netzbetreiber Tennet an
diesen Tagen günstiger war, auf die Reservekraftwerke in Österreich
zurückzugreifen, als auf die kalten Blöcke seiner früheren
Konzernmutter E.on“, erklärte der Kraftwerksexperte der DUH, Jürgen
Quentin. Quentin nannte es „bedenklich und ärgerlich“, dass sich
einzelne Journalisten bei ihrer Recherche offenbar auf unseriöse
Quellen verlassen und daraus weitreichende Rückschlüsse gezogen
hätten. Schließlich sei nicht unbekannt, dass es in der
traditionellen Energiewirtschaft Kräfte gebe, die die Energiewende
verzögern oder blockieren wollen und auch vor „Angstmache“ nicht
zurückschreckten. Verstörend sei auch, dass die BDEW-Spitze noch Tage
später „nicht in der Lage war, den wahren Sachverhalt zu ermitteln
und so ebenfalls zu einer mindestens tendenzösen Information der
Öffentlichkeit beitrug.“

Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e. V.
,Hackescher Markt 4,10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Mobil:
015155016943, E-Mail: baake@duh.de

Jürgen Quentin, Kraftwerksexperte, Deutsche Umwelthilfe e. V.
,Hackescher Markt 4,10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-95, Mobil:
015114563676, E-Mail: quentin@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.
V.. Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 2400867-0, Mobil:
01715660577,E-Mail: rosenkranz@duh.de