Südwest Presse: KOMMENTAR · AFGHANISTAN

Wenn Gott ein Volk bestrafen will, dann lässt er es in
Afghanistan einfallen: Die Anzeichen, dass dieses Sprichwort mehr als
einen Funken Wahrheit enthält, mehren sich. Alle Nationen, die in den
vergangenen 200 Jahren am Hindukusch militärisch Präsenz zeigten,
erlitten Niederlagen: 1842 wurden die Briten geschlagen, 1989 zog die
Sowjetunion ab – Weltmächte, gescheitert in den Bergen Afghanistans.
Soeben hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ein weiteres Abzugsdatum
bekräftigt: 2014. Es könnte noch schneller gehen. Nach
Leichenschändungen, der Koranverbrennung und dem jüngsten Massaker
durch US-Soldaten ist der Vorrat an Vertrauen, den die Bevölkerung
den ausländischen Truppen entgegengebracht hat, aufgebraucht. Das
Parlament in Kabul hat das deutlich zum Ausdruck gebracht. Nicht nur
radikale Kräfte lassen sich immer weniger damit abspeisen, dass die
US-Armee ihre Soldaten von den eigenen Militärgerichten aburteilen
lässt. Die Rufe, US-Täter den Afghanen zur Bestrafung zu übergeben,
werden lauter. Wie lange es Präsident Hamid Karsai gelingt, den Zorn
im Zaum zu halten, ist fraglich. So werden die Soldaten vor allem um
ihre eigene Sicherheit besorgt sein müssen. Wenn sie gehen, werden
sie das schlechte Image von Besatzern tragen. Was im vergangenen
Jahrzehnt an Aufbauarbeit geleistet wurde, droht darüber in
Vergessenheit zu geraten – und das Land im Chaos zu versinken.

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Lothar Tolks
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