Südwest Presse: KOMMENTAR · MISSBRAUCH

Teuflische Strategie

Repräsentativ ist die Studie des Psychiaters Fegert zum Thema
Missbrauch zwar nicht, gleichwohl steckt die Auswertung der bei der
Missbrauchsbundesbeauftragten eingegangenen Anrufe voller
Erkenntnisse. Hauptgefahrenort für Kinder und Jugendliche ist das
familiäre Umfeld. Dort drohen ihnen die meisten Übergriffe – bis in
die jüngste Zeit. Man darf diesen Umstand nie aus den Augen
verlieren; auch nicht, wenn sexuelle Gewalt gegenüber Minderjährigen
in Kirchen, Vereinen oder Schulen die Schlagzeilen bestimmt. Das
heißt aber nicht, dass diese Institutionen damit aus dem Schneider
sind. Im Gegenteil. Jeder dritte Anrufer hat dort massives Leid
erfahren. Dass die Opfer von Pfarrern oder kirchlichen Mitarbeitern
im Vergleich eher älter sind, kann darauf hindeuten, dass die
Verbrechen zurückgedrängt werden. Das zumindest wäre ein
Hoffnungsschimmer. Von erschaudernder Perfidie sind die Erkenntnisse
über die Mechanismen, wie katholischerseits Opfer zum Schweigen
gezwungen wurden: durch den Missbrauch des Beichtgeheimnisses und der
Instrumentalisierung des Themas Sünde. Die Opfer wurden über die Tat
hinaus in Angst versetzt. Möglich ist solch eine teuflische Strategie
auch heute. Nämlich dort, wo religiöse Gruppen Abschottung suchen in
Form von Mauern oder sektiererischen Abgrenzungen. Auch diese
Erkenntnis ist aus der Studie zu gewinnen. Vor allem Kirchen sollten
das bedenken.

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Lothar Tolks
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