Schluss mit der Hätschelei
Wen soll man mehr bedauern? Die Armen, deren Haushaltsgeld häufig
nur bis zur Monatsmitte reicht, oder den hochverschuldeten Staat, der
in nächster Zeit derart zum Sparen gezwungen sein wird, dass sich die
Mehrheit der Bürger noch umschauen wird? Der Unterschied liegt auf
der Hand: Armut wird meist verursacht durch Arbeitslosigkeit,
Krankheit und Familienzuwachs. Noch immer gelten Kinder als Risiko
für sozialen Absturz. Der Staat hingegen, genauer gesagt die Politik
ist mitverantwortlich für diese und die eigene Misere. In ungekanntem
Ausmaß sind seit Ende der 90er Jahre Steuern für Erben großer
Vermögen, Bestverdiener und mächtige Konzerne gesenkt worden. Seriöse
Berechnungen zeigen, dass dem Staat dadurch jährlich 50 Milliarden
Euro entgehen. Das Argument, die Reichen könnten das Land verlassen,
wenn man sie nicht unentwegt hätschelt, ist ein alter Hut. Andere
Länder besteuern ihre Bürger auch, wenn sie der Heimat den Rücken
kehren. Bleiben sie zu lange fort, droht der Verlust der
Staatsbürgerschaft – das wollen dann doch die Wenigsten. Nein, wenn
die reichsten zehn Prozent hierzulande mehr als die Hälfte des
Gesamtvermögens besitzen, läuft etwas grundsätzlich schief. Eigentum
verpflichtet, heißt es im Grundgesetz. Die Politik muss Artikel 14
(2), der den sozialen Frieden wahren soll, mit Leben füllen. In vier
Jahren legt die Bundesregierung erneut einen Armuts- und
Reichtumsbericht vor. Bis dahin sollten die Einnahmen endlich fließen
– durch die Einführung der Vermögensteuer, höhere Steuern für große
Erbschaften und einen Spitzensteuersatz, der diesen Namen verdient.
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