Südwest Presse: Kommentar zum Demonstrationsrecht

Demonstrieren geht über Konsumieren – diese auf den
ersten Blick eher im linken Spektrum verortete Sicht der Gesellschaft
hat seit gestern den Segen des höchsten deutschen Gerichts. Es sind
ungewohnt deutliche Formulierungen, mit denen das
Bundesverfassungsgericht die Bedeutung des Versammlungsrechts
gestärkt hat: Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers
sei kein Belang, der die Einschränkung der Grundrechte rechtfertige –
ergänzt um einen Seitenhieb auf den Wunsch nach einer
Wohlfühlatmosphäre, die von angeblich störenden politischen
Diskussionen freibleibt. Dass sich der Staat nicht seiner Bindung an
die Grundrechte entledigen kann, indem er private Rechtsformen wählt,
um öffentliche Einrichtungen zu betreiben, ist juristisch gesehen ein
alter Hut. Neu ist, dass die Richter in Karlsruhe klargemacht haben,
dass diese Orte grundsätzlich zu den öffentlich zugänglichen
Bereichen zählen, in denen nicht nur flaniert, sondern im Prinzip
auch demonstriert werden darf wie auf jeder Straße. Flughäfen und
Bahnhöfe sind längst von Verkehrseinrichtungen zu Stätten des
Kommerzes geworden, in denen weit mehr feilgeboten wird als
Reiseproviant. Das zu tun, bleibt den Anbietern trotz des Urteils
erlaubt. Den Anspruch, von unbequemen Themen verschont zu werden,
haben sie und ihre Kunden nicht. Damit haben die Richter einmal mehr
betont, dass zu einer lebendigen Demokratie auch Streitkultur gehört.
Wer ihr Fesseln anlegen will, muss handfeste Sicherheitsaspekte
geltend machen können. Das ökonomische Ziel klingelnder Kassen allein
reicht dafür nicht.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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