Noch lässt sich das Ausmaß der Katastrophe über Japan
hinaus nur erahnen. Noch ist kaum Zeit, dass Fassungslosigkeit und
Eigensorge dem Mitgefühl und der Trauer Platz einräumen. Schon meldet
sich der Wahlkampf zurück in Deutschland. Am 27. März wählt
Baden-Württemberg. Ein Narr, der glauben wollte, Grüne und
Sozialdemokraten würden die Katastrophe in Asien nicht nutzen, um im
Bundesland mit den meisten Atomkraftwerken politisch Punkte zu
sammeln. Man mag das im Angesicht apokalyptisch anmutender Bilder aus
Asien für unanständig und kaltherzig halten. Doch erstens werden die
schwarz-gelben Regierungen im Bund und im Land gegen die Macht der
Bilder aus Japan sowieso nicht anregieren können. Sie werden ihren
Atomkurs überdenken müssen. Und zweitens ist es das gute Recht
insbesondere der Grünen, zur Wahl zu stellen, was immer schon und vor
allem anderen Dreh- und Angelpunkt ihrer Politik war. Der Traum der
Energieindustrie von der Beherrschbarkeit der Kerntechnologie
jedenfalls ist ausgeträumt. Die Bundeskanzlerin hat das am Wochenende
ganz richtig formuliert. Wenn schon in einem Land wie Japan mit sehr
hohen Sicherheitsanforderungen nukleare Folgen nicht verhindert
werden können, dann kann die ganze Welt, dann kann auch Deutschland
nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Geschehnisse in Japan
seien ein Einschnitt für die Welt. Wohl wahr, und deshalb wird es bei
den angekündigten Sicherheitsprüfungen nicht bleiben können. Für
Hysterie indes besteht kein Grund. Vor Terroranschlägen sind zwar
auch deutsche Kraftwerke nicht hundertprozentig gefeit. Tsunamis oder
Erdbeben biblischen Ausmaßes aber sind hier kaum denkbar. Deshalb
wollte weiland auch Rot-Grün nicht alle Kraftwerke sofort vom Netz
nehmen. Immerhin produzieren die 17 deutschen Meiler fast ein Viertel
des Stromes – und das ohne CO2-Ausstoß. Sonne, Wind, Biogas und
Wasser könnten den Ausfall weder kostenseitig noch kurzfristig und
schon gar nicht glaubhaft annähernd ausgleichen. Auf Glaubwürdigkeit
aber kommt es nun vor allem an. Ob nämlich nach Fukushima die Wahl in
Baden-Württemberg zugunsten von Grün-Rot im Lande schon gelaufen ist,
wie manche meinen, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie
ernstzunehmend, entschieden und schnell Schwarz-Gelb reagiert.
Letztlich können weder die Revision des sogenannten Ausstiegs vom
Ausstieg noch das Abschalten ältester Meiler Tabu sein. Im Gegenteil.
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Lothar Tolks
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