Man kann füglich drüber streiten, welchen Sinn die
100-Tage-Bilanz einer neuen Regierung macht. Schon weil die
willkürliche Frist, die sich inzwischen eingebürgert hat, für den
eher schwerfälligen Politikbetrieb ziemlich kurz ist, sagt ein Urteil
noch nicht viel aus. Das gilt auch für die grün-rote Koalition im
Land, die nach fast sechs Jahrzehnten CDU-Herrschaft schon personell
vor einem grundsätzlichen, auch zeitraubenden Neuanfang stand. Die
meisten Ankündigungen aus der kleinteiligen Koalitionsvereinbarung
können angesichts des langwierigen Vorlaufs noch gar nicht umgesetzt
sein, ganz vieles ist noch nicht einmal angeschoben. Dass der
Nachtragshaushalt mit seinen vermeidbaren Neuschulden und üppigen
Personalaufstockungen das strapazierte Nachhaltigkeitsetikett
verdient, kann Kretschmanns Regierung niemand weismachen.
Andererseits sieht man versprochene grün-rote Akzente bei Themen wie
Integration, Gleichstellung oder der Bioland-Politik. Für die
Wahrnehmung der selbsternannten Bürgerregierung aber spielt der
erbitterte und auch lähmende Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21
bis auf weiteres die zentrale Rolle. Erst wenn diese Frage abgeräumt
wird, kann überhaupt Platz für den vielbeschworenen Politikwechsel
sein. Der Weg ist steil und steinig, denn kommt der Volksentscheid,
dann wird der innerkoalitionäre Wahlkampf erst einmal zur
Zerreißprobe.
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Lothar Tolks
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