Südwest Presse: Kommentar zur Späh-Affäre

Der US-Geheimdienst NSA hat offenbar Bundeskanzlerin
Angela Merkel ausgespäht. Mit dieser jüngsten Enthüllung ist die
NSA-Affäre dort angekommen, wo sie die Bundesregierung aus
wohlverstandenem außenpolitischem Interesse bis jetzt nie sehen
wollte: auf höchster politischer Ebene. So skandalös der Vorgang ist,
er hat seine gute Seite. Denn er setzt die Bundesregierung unter
Zugzwang. Endlich gibt es keine Ausreden mehr. „Wer nichts zu
verbergen hat, hat nichts zu befürchten“ – mit solchen Sprüchen wird
die Union fortan keinen Netzaktivisten mehr abspeisen können. „Wir
teilen dieselben Werte“ – transatlantische Worthülsen wie diese wird
sich die Kanzlerin vorerst verkneifen müssen. Schon während der
Kriege in Serbien und Afghanistan wurde deutlich, dass die USA in
Deutschland allenfalls einen Verbündeten dritter Klasse sehen.
Dennoch diente sich die Bundesregierung in Krisen willig an,
schwankend zwischen militärischer Abstinenz, Scheckbuch-Diplomatie
und einer halbherzigen Rolle als Möchtegern-Waffenbruder. Als Dank
hören amerikanische Schnüffler nun die Kanzlerin ab. Eine deutliche
europäische Antwort, wie sie Martin Schulz, Präsident des
Europaparlaments, fordert, ist überfällig. Denn seit gestern muss
auch dem letzten Bewunderer der USA klar sein, dass diese
vielbeschworene Partnerschaft längst eine Einbahnstraße ist – in
Richtung ziemlich falscher Freunde.

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Ulrike Sosalla
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