Guido Westerwelle hat seinen Kopf noch einmal aus
der Schlinge gezogen. Aber der FDP-Vorsitzende bekommt nur eine
Gnadenfrist. Niemand sollte in dem Hosianna von Stuttgart übersehen,
dass sie genauso bereitwillig kreuzigt ihn rufen werden, wenn bei den
Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aus fehlender
Stimmung verlorene Stimmen geworden sein sollten.
Dass Westerwelle nicht ankündigte, im Mai beim Bundesparteitag
erneut zu kandidieren, zeigt, wie wackelig seine Position ist. Und
wenn es mit den Stimmen irgendwie reicht – eine erneute
Regierungsbeteiligung in Stuttgart und der Einzug in den Mainzer
Landtag sind dafür der Maßstab – wird doch die Stimmung nicht wieder
zurückkommen, die der Vorsitzende so wunderbar vor der Bundestagswahl
entfacht hatte.
Da fühlte sich die FDP als revolutionäre Partei, als Vertreterin
der schweigenden Mehrheit, als deutsche Tea-Party-Bewegung. „Hier
steht die Statue der Freiheit der Republik“, rief Westerwelle 2007
auf einem Parteitag in Stuttgart in seiner üblichen
Übertreibungsrhetorik aus. Dieses Gefühl hat er gestern zu
reaktivieren versucht, weil der Baden-Württembergische Landesverband,
mit dem Rücken zur Wand stehend, jetzt die Offensive braucht, nicht
Selbstbespiegelung. Der Beifall des Dreikönigstreffens ist auch
lokaler Art – Westerwelle sollte ihn für seine Zukunft als
Bundesvorsitzender schon deshalb nicht überbewerten.
Das Schnauben dieses in Wahlkämpfen bewährten Schlachtrosses kann
aber erkennbar nicht der Markenkern einer liberalen Partei sein, die
Mitverantwortung tragen will. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass
Westerwelle intern ausgerechnet als Parteivorsitzender in Frage
gestellt wird, in einem Amt, das er kann. Als Außenminister hingegen
wirkt er wie neben sich gestellt. So wie die ganze FDP ihre neue
Rolle als bürgerliche Regierungspartei noch immer nicht gefunden hat.
Die Gewissheit, was liberal ist, wenn man nicht opponiert, sondern
regiert, ist ihr verloren gegangen. Deswegen wird der bloße Austausch
an der Spitze keine Lösung bringen.
Nur beim Thema Bürgerrechte ihrer Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger ist die Partei noch bei sich. Ansonsten
schwankt sie zwischen Marktradikalität und „mitfühlendem
Liberalismus“ zwischen purem Lobbyismus und gutbürgerlicher
Verantwortungsethik. Im Moment ist die FDP nicht Fisch, nicht
Fleisch, nicht stabil und nicht kaputt, nicht führungslos und nicht
geführt. Aber in den Augen der Wähler zunehmend entbehrlich. Für die
Stabilität der Koalition und damit für Angela Merkels Regentschaft
ist das höchst gefährlich.
Autor: Werner Kolhoff
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