Warum kommen in Deutschland so wenige Kinder zur
Welt? Diese Frage ist längst zu einem Arbeitsbeschaffungsprogramm für
die Wissenschaft geworden. Beinah schon im Wochentakt werden dazu
mehr oder minder kluge Studien und Forschungsberichte veröffentlicht.
Dabei hätte bereits ein Blick ins Gesetzblatt genügt, um einem
wichtigen Grund auf die Spur zu kommen. In einem Land, in dem
Kinderlärm als schädliche Umwelteinwirkung ausgelegt werden kann,
haben nicht nur klagewütige Querulanten Oberwasser. Vielmehr ist die
gesamte Gesellschaft in Schieflage geraten. Familienfreundlichkeit?
Nein danke, lautet ihre Botschaft.
Viele Eltern spüren das tagtäglich. Früher gehörte Kinderlärm zum
ganz normalen Alltag. Dass man ihn mit den Geräuschen von Flugzeugen
oder Weihnachtsmärkten in einen Topf wirft, wäre vor ein paar
Jahrzehnten noch unvorstellbar gewesen. Kinderlose Paare waren selten
und Singles ebenso. Heute ist Deutschland schlicht kinder-entwöhnt.
Findige Anwälte hatten daher schon seit geraumer Zeit keine
Berührungsängste mehr, artfremde Geräuschpegel ins Feld zu führen, um
ihren Mandaten zum Prozess-Erfolg zu verhelfen. Wenn sich Anwohner
über einen Kindergarten in ihrer Nachbarschaft beschwerten, konnten
sie sich auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz berufen. Auf dieser
Grundlage wurde zum Beispiel in Hamburg eine Kita vom Wohn- ins
Gewerbegebiet verbannt. Und selbst das geschah noch unter strengen
Lärmschutzauflagen. So gesehen muss man die Regierung fragen, warum
sie derlei Absurditäten erst jetzt einzudämmen sucht.
Die gestern von ihr verabschiedete Klarstellung im Gesetz, wonach
das Lärmen von Kindern als Ausdruck ihrer Entwicklung und Entfaltung
zu betrachten ist, war überfällig. Wer das anders sieht, der sei
daran erinnert, dass es die heranwachsende Generation ist, die ihm
eines Tages die Altersbezüge finanziert. Ohne genügenden Nachwuchs
kann der Generationenvertrag schwerlich funktionieren. Und wer längst
schon Rente bezieht, der sollte sich vor Augen halten, dass der
Gesetzgeber sehr wohl einen Interessenausgleich zwischen Jung und Alt
berücksichtigt. Wenn sich der Kindergarten zum Beispiel neben einem
Pflegeheim befindet, sind auch Ausnahmen von der Regel möglich.
Zu den ersten Organisationen, die den Beschluss gestern begrüßten,
gehörte übrigens die Senioren-Union. Deren Vizechef Leonhard Kuckart
hatte Kinderlärm noch vor kurzem mit den Geräuschen eines
Presslufthammers gleichgesetzt. Vielleicht ist die Gesellschaft ja
doch lernfähig. Ohne die notwendige Toleranz bleibt ein
kinderfreundliches Gemeinwesen Utopie. Schlimm genug, dass es dazu
eine gesetzliche Klarstellung braucht.
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Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
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