Politiker mit Stehvermögen sind selten geworden in
Deutschland. Kurt Beck ist zweifellos einer von ihnen. Drei
Jahrzehnte hat der Maurersohn ohne Abitur in herausgehobenen
Funktionen mitgemischt, davon 18 Jahre als Ministerpräsident von
Rheinland-Pfalz. Nur die Christdemokraten Peter Altmeier (ebenfalls
Rheinland-Pfalz) und Bernhard Vogel (Rheinland-Pfalz und Thüringen)
haben je länger an der Spitze von Bundesländern gestanden.
Sozialdemokrat Beck hat die Entwicklung des einstigen „Landes der
Reben und Rüben“ zu einer modernen Industrie- und
Dienstleistungsgesellschaft mit gutem Wirtschaftswachstum, der
drittniedrigsten Arbeitslosenquote in Deutschland und einem
ansprechenden Bildungssystem mit vielen Ganztagsschulen und
kostenlosen Kindergartenplätzen maßgeblich geprägt. Er hat es
geschafft, nach einer sozial-liberalen Koalition und einer absoluten
SPD-Mehrheit ein stabiles rot-grünes Bündnis zu schmieden. Im Reigen
der 16 Bundesländer spielt Rheinland-Pfalz nicht die erste Geige,
doch seine Töne werden beachtet.
Auf all dem kann Becks Nachfolgerin Malu Dreyer aufbauen. Die
51-Jährige ist lange im Geschäft, und ihr fliegen seit der
Bekanntgabe des Wechsels erstaunlich viele Herzen zu. Sie muss jedoch
noch den Nachweis erbringen, trotz ihrer Krankheit Multiple Sklerose
den riesigen Anforderungen und Erwartungen gewachsen zu sein. Kurt
Beck hat ihr einige Baustellen hinterlassen. Das Geld ist knapp,
Rheinland-Pfalz ächzt unter einer hohen Schuldenlast und verfolgt
einen strikten Sparkurs. Der ist in Einklang zu bringen mit einem
Urteil des Verfassungsgerichtshofes, das eine erheblich bessere
finanzielle Ausstattung der im Bundesvergleich äußerst klammen
Kommunen verlangt.
Kurt Becks größtes Debakel hat ihm die letzten Jahre seiner
Amtszeit kräftig verhagelt und harrt noch einer Lösung: Am
weltberühmten Nürburgring wurden riesige Betonbauten in die Eifel
geklotzt, den Schaden hat der Steuerzahler. 330 Millionen Euro wurden
verbaut und sind wohl verloren. Private Sanierer ringen um die
Rettung der insolventen Rennstrecke.
Die Energiewende und der demografische Wandel stellen weitere
Herausforderungen dar, denen sich Malu Dreyer und das rot-grüne
Kabinett stellen müssen. Auch Lösungen beim A-1-Lückenschluss und für
den Flughafen Hahn sind nötig.
Rückblickend betrachtet wird man es vielleicht eines Tages als
größte Leistung von Kurt Beck betrachten, seine Nachfolge geräuschlos
und überzeugend geregelt zu haben. CDU-Herausforderin Julia Klöckner
hatte es mit Attacken gegen den langjährigen und von vielen für
verbraucht gehaltenen Landesvater leicht. Gegen die beliebte und
authentisch wirkende Dreyer wird sich Klöckner eine neue Strategie
ausdenken müssen. Möglicherweise kommt es der Union zupass, dass die
SPD eine Doppelspitze mit Malu Dreyer und dem neuen
Landesvorsitzenden Roger Lewentz geschaffen hat. Sie beschwören zwar
den Zusammenhalt, doch dieses Konstrukt birgt Gefahren.
Alleinherrscher Beck, oft als „König Kurt“ tituliert, hatte es da
leichter. Aber Politiker mit Stehvermögen und patriarchalischen Zügen
wie ihn gibt es eben nicht mehr oft.
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Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
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