Er übernahm in stürmischen Zeiten die Führung beim
Deutschen Alpenverein: Josef Klenner (61) wurde im Herbst 2010 nach
dem protestartigen Rücktritt von Heinz Röhle zum zweiten Mal zum
Prä-sidenten des DAV gewählt. Dort erwartet den Westfalen ein Berg
von Aufgaben, zum Beispiel der vereinsinterne Streit über die
Olympia-bewerbung Münchens, zu der am Sonntag in
Garmisch-Partenkirchen der Bürger-entscheid stattfindet.
Herr Klenner, welche sind die großen Themen, die Sie angehen
wollen?
Josef Klenner: Ganz oben auf der Tagesordnung steht der
Leitbildprozess.
Also die Suche nach Antworten auf die Frage: „Quo vadis,
Alpenverein?“
Klenner: Wir müssen die Entwicklungen in der Gesellschaft – gerade
im Bereich Naturschutz und Naturnutz durch Bergsport – erfassen und
in Ziele formulieren, die der DAV in den nächsten fünf bis zehn
Jahren anstreben will.
Haben Sie eine Vorahnung, in welchen Punkten das Leitbild, das
zuletzt 2001 überarbeitet wurde, nicht mehr zeitgemäß ist?
Klenner: Der Zahl der Mitglieder hat sich in dieser Zeit von
600000 auf fast 900000 erhöht, und auch die Struktur der
Mitgliedschaft hat sich verändert. So sind viele Menschen speziell
wegen der Kletterhallen beigetreten. Beim Naturschutz trägt nicht
zuletzt der Klimawandel dazu bei, dass wir neue Schwerpunkte setzen
müssen.
Die Kletterhallen haben vor allem jüngere Menschen angelockt.
Richtet sich der DAV nun stärker an deren Bedürfnissen aus?
Klenner: Wir wollen die Sektionen auch darin unterstützen,
attraktive Angebote für die Älteren zu machen. Der DAV muss auch den
demografischen Wandel mitvollziehen.
Ein wichtiges Thema ist die Beteiligung an der Olympiabewerbung
Münchens. Nach der Abgabe des Bid Books sitzen Sie nun fester mit im
Boot als je zuvor. Fühlen Sie persönlich sich wohl dabei?
Klenner: Von Anfang an haben wir gesagt: Wenn schon Olympische
Spiele in Deutschland, dann sollen sie unter möglichst
umweltfreundlichen Bedingungen stattfinden. Man kann immer streiten,
ob unsere Standpunkte im Bid Book ausreichend berücksichtigt wurden.
Ich persönlich bin insofern zufrieden damit, als dass wir deutliche
Verbesserungen erreicht haben. Wir haben zum Beispiel dazu
beigetragen, dass gewisse Sportstätten wie die in Kaltenbrunn aus den
Planungen herausgefallen sind, auch aus Naturschutzgründen.
Nicht zuletzt wegen der Beteiligung an der Olympia-Bewerbung sind
im DAV Gräben aufgebrochen. Von Ihnen wird erwartet, dass Sie Brücken
bauen. Wie möchten Sie das anstellen?
Klenner: Mir kommt es sehr darauf an, dass wir mit unseren
Sektionen einen intensiven Meinungsaustausch über kontroverse Themen
führen. Am Ende müssen dann Beschlüsse der Hauptversammlung stehen,
was wir umsetzen wollen und was wir bleiben lassen.
Viele Mitglieder interessieren sich lediglich für die
Dienstleistungen des Alpenvereins wie etwa Ausbildung oder die
Bergekosten-Versicherung – als wäre der DAV ein „ADAC der Berge“.
Gefällt Ihnen dieser Vergleich?
Klenner: Der Vergleich mit einem Automobilclub fällt mir schwer.
Natürlich bieten wir unseren Mitgliedern einen Service. Dieser
Service ist aber kein Selbstzweck, sondern er soll dazu dienen,
Menschen in die Lage zu versetzen, Bergsport auszuüben, und zwar
sicher und naturverträglich.
Der DAV wehrt sich gegen Funkparks oder ähnliche
Massenattraktionen. Wo fängt aus Ihrer Sicht die Inszenierung der
Berge an?
Klenner: Wo es um die reine Sensation geht, bei der die Berge zur
Kulisse verkommen. Da werden wir keine Kompromisse eingehen. Denn
wenn man einmal nicht genau hingeschaut hat, ist die Position
verloren.
Viele Mitglieder sehen in der Nähe zur Industrie einen Widerspruch
zu den Werten des DAV. Was halten Sie persönlich zum Beispiel von der
Kooperation mit Toyota?
Klenner: Die Anzahl der Bergsteiger, die mit öffentlichen
Verkehrsmitteln ins Gebirge fährt, steigt nicht signifikant. Vor
diesem Hintergrund ist vor drei Jahren die Kooperation mit Toyota
zustande gekommen, weil Toyota mit der Hybridtechnik den
Individualverkehr umweltverträglicher gestalten kann. Über die
Fortsetzung dieser Kooperation, die Ende des Jahres ausläuft, werden
wir nun mit den Sektionen diskutieren.
Wäre es für Sie denkbar, dass eine DAV-Hütte nach einem Sponsor
benannt wird?
Klenner: Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Da sind wir
meilenweit entfernt von anderen Sportarten wie Fußball, Handball oder
Eishockey.
Interview: Ingo Wilhelm
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