tz München: Das gab–s noch nie im Münchner Rathaussaal: Ausgebuht! Der Stadtrat straft Bahn-Chef für Hauptbahnhof-Modell ab

Das war eine Premiere im Münchner Rathaus!
Zumindest kann sich CSU-Planungssprecher Walter Zöller, der seit fast
40 Jahren im Stadtrat sitzt, an nichts Vergleichbares erinnern: Das
gesamte 80-köpfige Gremium hat einen Gast ausgebuht! Gestern kam
Bahn-Boss André Zeug zu dieser zweifelhaften Ehre. Er war aus Berlin
angereist, um den Münchnern den Bahn-eigenen Entwurf für einen
(teilweise) neuen Hauptbahnhof schmackhaft zu machen. Das ist ihm
gründlich misslungen: Der „funktionale Zweckbau“ hielt für keinen der
enttäuschten Redner dem Vergleich mit dem Siegerentwurf aus dem
Wettbewerb (Auer + Weber) stand. Dazu kommen Mängel in der
Erschließung der U- und S-Bahngeschosse. Als der Vorstandsvorsitzende
der DB Station&Service AG nach der knappen Vorstellung des Projekts
auch noch die Fragen der Stadträte nicht beantwortete, sondern fand,
es sei „sinnvoller, wenn man heute hier einen Schlussstrich zieht“,
schallte ihm die Unmutsbezeugung unüberhörbar entgegen. Walter Zöller
eröffnete „enttäuscht bis entsetzt“ das Gefecht. Es sei ein Skandal,
dass die Bahn sich „still und leise“ vom preisgekrönten Entwurf
entferne und jetzt „ein völlig beliebiges Gebäude hinstellen will“.
Das Argument Wirtschaftlichkeit lässt er nicht gelten, zumal Zeug
nicht einmal die prognostizierten Kosten für das Konzept verraten
wollte. Im später verteilten Pressetext wird der Preis mit 300
Millionen Euro beziffert. Auer  + Weber halten ihren eigenen
reduzierten Entwurf durchaus für konkurrenzfähig, heißt es in der
Vorlage von Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Zöller sieht den Grund für
die Bahnplanung in Eigenregie in den Erfahrungen mit dem Lehrter
Bahnhof (Berlin), wo sich die Bahn wegen eigenmächtiger Veränderungen
einen Urheberrechtsstreit mit Architekt Meinhard von Gerkan
einhandelte. „Jetzt wollen sie nicht mehr mit freien Architekten
arbeiten.“ Eine Klage könnte der Bahn auch in München blühen, so die
Warnung von SPD-Chef Alexander Reissl: „Dann wird–s auf jeden Fall
teurer.“ Zu Verzögerungen komme es auch. Die Stadt selbst habe den
Anspruch, die Gestalt aller wichtigen Bauvorhaben durch einen
Wettbewerb zu ermitteln. Das sagte Zeug auch zu, und da könne sich ja
Auer + Weber ebenfalls beteiligen. Quer durch den Stadtrat
appellierten die Sprecher, den Weg zurück zum „überragenden
Siegerentwurf“ nicht zu verbauen. Richard Quaas (CSU): „Es gibt
selten eine so einhellige Haltung des Stadtrats, das sollte der DB zu
denken gegeben.“ Sie solle sich auch auf ihre frühere Zuverlässigkeit
besinnen, die in den letzten Jahrzehnten abhanden gekommen sei. Auch
fühle sich München vernachlässigt: In Leipzig, Berlin, Dresden und
Stuttgart würden großartige Bahnhöfe geplant und gebaut, die
bayerische Landeshauptstadt werde mit „Kaufhausarchitektur der
80er-Jahre abgespeist“.

Barbara Wimmer

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