Lange, viel zu lange ist die deutsche Justiz vor den
Verbrechen der NS-Zeit davongelaufen. Richter tun heute, was sie tun
können, holen nach, was ihre Vorgänger in beschämendem Maße versäumt
haben. Das führt dazu, dass sie Greise verurteilen, die man längst
hätte bestrafen müssen, und Teile der Öffentlichkeit sich fragen,
welchen Sinn es macht, einen 94-Jährigen noch ins Gefängnis zu
stecken.
Die Rechtsprechung fragt aber nicht nach diesem Sinn, sondern nach
der Schuld des Einzelnen. Der Prozess gegen Oskar Gröning mag zwar
zwangsläufig eine Auseinandersetzung der Justiz mit ihren eigenen
Verfehlungen sein. Er ist aber auch ein Bekenntnis dazu, dass die
Schuld an Auschwitz nie verjährt. Und dass sich jene, die im
Räderwerk der Tötungsmaschinerie mitgewirkt haben, nie sicher sein
dürfen, nicht doch noch angeklagt zu werden. Das ist das Mindeste,
was wir den Opfern schuldig sind.
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