Millionen Pendler in Nordrhein-Westfalen müssen sich
in diesem Winter möglicherweise auf massive Störungen im Zugverkehr
einstellen. An sehr kalten Tagen werden „bis zu 30 Prozent“ weniger
Züge fahren können, sollte das Kohlekraftwerk Datteln wie vorgesehen
Ende Dezember stillgelegt werden, sagte Bahnchef Rüdiger Grube in
einem Interview mit den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe
Die drei alten Kraftwerksblöcke, deren Betriebsgenehmigung endet,
liefern drei Viertel des Bahnstroms in NRW. Das neue Ersatzkraftwerk
Datteln IV darf nach Planungsfehlern laut Gerichtsbeschluss aber
nicht ans Netz. Die Bahn hat zwar einen Umformer in Auftrag gegeben,
um zeitliche Lücken zu überbrücken – denn Bahnstrom hat eine andere
Frequenz als Haushalts- und Industriestrom. Der Umformer sei aber
erst Anfang 2014 fertig, sagte Grube: „Wenn die Stilllegung kommt und
nichts passiert, ist die Gefahr groß, dass die Bahn an sehr kalten
Wintertagen in den Morgenstunden Engpässe bei der Versorgung haben
könnte. In solchen Fällen müssen wir, um einen Zusammenbruch des
Netzes zu vermeiden, Züge herausnehmen.“ Eine Beratung im
Bahnvorstand habe dafür jetzt eine Größenordnung bis zu 30 Prozent
der Züge ergeben.
Grube fordert vom Land eine Ausnahmeerlaubnis, die so genannte
Duldung, damit Werksbetreiber Eon in dem Kraftwerk über das
Jahresende hinaus Bahnstrom produzieren kann. Außerdem müsse „der
Duldungsbescheid so ausgeführt sein, dass mögliche Klagen dagegen
keine Chance haben“. Bis jetzt aber „haben wir den Entscheid noch
nicht und der Winter steht bevor“, sagte Grube. Die Bahn erhoffe bis
November Klarheit von der Landesregierung. Der Bahnchef: „Wenn das
nicht der Fall ist, werde ich Ministerpräsidentin Kraft um ein
Gespräch bitten.“
Grube kündigte weiter an, mit den Bundesländern über das
polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Vorgehen nach Selbstmorden
im Bahnnetz zu reden: „Die Zahl der Selbstmorde in Deutschland geht
eher zurück. Bei der Bahn ist es dagegen umgekehrt. Im Streckennetz
kommt es an manchen Tagen auf bis zu sechs Suizide. Natürlich wirkt
sich das im Betrieb aus.“ Die Klärung der Vorgänge nähme Zeit in
Anspruch. Manchmal blieben Züge stundenlang stehen. „Wir führen
Gespräche mit den Bundesländern, um diese Zeitspanne zu verkürzen.
Wichtig ist, dass sofort die Bundespolizei benachrichtigt wird und
der Staatsanwalt dann überall sehr zügig entscheiden kann, bis die
Strecke freigegeben werden kann“, sagte Grube.
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