Beim Bau von Deutschlands leistungsstärkstem
Windpark ist es nach Recherchen des Radioprogramms NDR Info zu
Unregelmäßigkeiten gekommen. Der Bürgermeister der vorpommerschen
Gemeinde Grapzow, Frank Weinreich, hat gegen den Widerstand von
Gemeindevertretung und Einwohnern den Bau des Windparks begünstigt,
von dem er selbst profitiert. Knapp die Hälfte der Windräder steht
auf Grundstücken des Bürgermeisters und seines Schwagers. Damit
verdienen sie nach Hochrechnungen auf Grundlage eines
Vertragsangebots des Windpark-Betreibers rund eine Million Euro pro
Jahr. In weiteren Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns und
Schleswig-Holsteins soll es zu ähnlichen Fällen gekommen sein.
Die Grapzower Gemeindevertretung hatte die Pläne für den Windpark
2003 abgelehnt. Dennoch setzte Bürgermeister Weinreich die Planungen
fort, ohne Gemeindevertreter und Öffentlichkeit darüber zu
informieren. Eine für den Mai 2010 geplante Abstimmung in der
Gemeindevertretung fand wegen eines Formfehlers des Bürgermeisters
nicht statt. Trotzdem stimmte der stellvertretende Bürgermeister dem
Bauvorhaben im Namen der Gemeinde schriftlich zu. Auch darüber wurde
die Gemeindevertretung nicht informiert. Laut Kommunalverfassung muss
der Bürgermeister die Vertretung über wichtige Vorhaben zumindest in
Kenntnis setzen. Seit eineinhalb Jahren ist die Anlage mit derzeit 38
Windrädern in Betrieb, 15 weitere sind geplant.
Gegner des Projekts werfen dem Bürgermeister vor, er beteilige die
Bürger absichtlich nicht, um sich persönlich zu bereichern. Hans
Wienholz, Einwohner des Ortes und einer der Kritiker, sagte NDR Info:
„Wir wurden in keiner Hinsicht unterstützt. Der Bürgermeister hat es
abgelehnt, über die Windräder zu sprechen, obwohl er dazu
aufgefordert wurde.“ Die Kritiker des Windpark-Projekts in Grapzow
hatten 2010 nach Bekanntwerden der Pläne Unterschriften gegen den Bau
gesammelt. Unbekannte stellten ihnen daraufhin Brandsätze vor die Tür
und lösten die Radmuttern eines Autos, verbunden mit der
Aufforderung, den Widerstand gegen den Windpark aufzugeben.
Ermittlungen der Polizei dazu wurden eingestellt.
Bürgermeister Weinreich hält seine Vorgehensweise für rechtens. Er
habe Informationen zu dem Projekt nicht an die Gemeindevertretung
weitergegeben, weil er als Landeigentümer befangen sei, sagte er NDR
Info. Einen finanziellen Ausgleich beispielsweise für die
Lärmbelastung und die Wertminderung von Grundstücken in der
Nachbarschaft des Windparks lehnt Weinreich ab: „Wenn Sie einen
Lottogewinn haben, sagen Sie ja auch nicht: Ich gebe die Hälfte des
Lottogewinns an die Gemeinde.“
Ein solches Vorgehen ist in Norddeutschland kein Einzelfall. Auch
in einer Nachbargemeinde Grapzows und in zwei Gemeinden in
Schleswig-Holstein profitieren örtliche Entscheidungsträger
persönlich vom Bau von Windparks. Das ergaben ergänzende Recherchen
von NDR Info und des NDR Fernsehmagazins „Panorama 3“.
Rückfragen an NDR Info: Björn Siebke, Patrick Ulrich
040/4156-3412; Christoph Heinzle 040/4156-2885.
25. Oktober 2012
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