Wulff im Kloster. Den Deutschen wird viel dazu
einfallen. Witzbolde fragen, ob er ein Upgrade verlangt habe:
Mönchszelle gegen Abtszimmer. Moralisten werden Wulffs Aufenthalt mit
der Hoffnung verbinden, dass Abbitte folgt. Tatsächlich hat Wulff
eine Zuflucht gewählt, die der denkbar größte Gegenentwurf ist zu all
dem, was ihn aus dem Amt katapultiert hat. Wulffs angreifbares Leben,
das waren Freunde, die ihm nicht ohne Eigennutz die Hand reichten. Es
war die Welt der willkommenen Suiten. Es waren Spezialrabatt und
Freundschaftspreis, es war ein Reich von Dingen, die gratis
erscheinen, um einen wenig später teuer zu stehen zu kommen. Dem
Kosmos, in den Wulff jetzt für eine Weile eintaucht, fehlt das
Interesse an all den Götzen, die den Präsidenten zu Fall gebracht
haben. Gleichbehandlung, Einfachheit, Verzicht – es sind uralte
Prinzipien, die hier gelebt werden. Die Institution Kloster genießt
Respekt: still, an Prunk wenig interessiert, nach innen schauend. In
Zeiten, da die Kirche ihre gesellschaftliche Macht einbüßt, erleben
die Klöster Anerkennung und Zulauf, vom Manager bis zur
Familienmutter. Warum nicht auch ein gescheitertes Staatsoberhaupt?
Man denkt an den Gang nach Canossa, aber auch an einen Mann, der
Hilfe braucht statt Kredit. Wulff im Kloster: eine Chance für ihn.
Für die, die ihm nicht vergeben können, vielleicht auch.
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