Die Blamage ist perfekt. Zum zweiten Mal hat das
Verfassungsgericht das Wahlrecht für den Bundestag verworfen. Den
schwarz-gelben Reparatur-Versuch haben die Richter verärgert als
Murks abgelehnt. Es ist die Quittung für ein beispielloses Versagen,
für das Union und FDP die Verantwortung tragen. Die Republik steht
ein Jahr vor der Bundestagswahl ohne gesetzliche Grundlage für die
Abstimmung da, weil die Koalition in einer Mischung aus
Fahrlässigkeit, Ignoranz und Egoismus erst zu spät, dann unzureichend
handelte. Das Einfachste wäre gewesen, man hätte sich von den
Überhangmandaten, die verzerrende Effekte ermöglichen, getrennt oder
sie begrenzt. Doch das wollte die Union, die von den Zusatz- Sitzen
besonders profitiert, nicht. Aus Eigennutz hat sie stattdessen eine
Minireform durchgepeitscht, die das Kernproblem nicht löst. Durchaus
denkbar, dass bald eine Koalition mit der Minderheit der
Wählerstimmen die Regierung gebildet hätte. Dem hat das Gericht nun
einen Riegel vorgeschoben. Zu prüfen ist jetzt, ob das Wahlgesetz
nicht grundsätzlich reformiert werden muss. Es ist so kompliziert,
dass selbst Experten manche Feinheiten kaum noch nachvollziehen
können. Ein demokratisches Wahlrecht aber muss nicht nur fair und
gerecht, sondern auch für jedermann verständlich sein.
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