WAZ: Einkaufsbummel am Sonntag. Kommentar von Tobias Blasius

Die Reform der Reform des Ladenschlusses in
Nordrhein-Westfalen nimmt Gestalt an. Doch anders als mancher
Kritiker bei Gewerkschaften und Kirchen insgeheim gehofft haben mag,
hat sich Rot-Grün beileibe nicht die Rückabwicklung der
schwarz-gelben Liberalisierung aus dem Jahr 2006 vorgenommen.
Vielmehr deuten sich Korrekturen mit Augenmaß an. Werktags bleibt
alles wie gehabt, die schleichende Aushöhlung des Sonntagsschutzes
dagegen soll zumindest eingedämmt werden. An den radikal veränderten
Einkaufs- und Lebensgewohnheiten der Menschen kommt eben keine
Regierung vorbei. Ladenschluss um 18.30 Uhr wirkt inzwischen fast so
aus der Zeit gefallen wie Schwarz-Weiß-Fernsehen und
Wählscheiben-Telefon. Trotz der vergleichsweise behutsamen
Beschneidung der Händlerfreiheit wird die Ladenschluss-Reform in den
Kommunen im Lande für Unruhe sorgen. Wenn die Anzahl der
verkaufsoffenen Sonntage bei 13 pro Jahr und Stadt gedeckelt wird,
wartet in Dortmund, Essen oder Köln jede Menge Koordinierungsaufwand.
Stadtteilfeste, Werbegemeinschaften und Sonderaktionen müssen präzise
abgestimmt werden, damit durch die neue Obergrenze bei der
Sonntagsöffnung keine Traditionsveranstaltungen beschädigt werden. Ob
sich politisch durchhalten lässt, dass eine Millionenstadt wie Köln
genauso viele Sonntage zum Einkaufen freigeben darf wie eine
Gemeinde, die gerade mal einen Bruchteil der Einwohnerzahl hat,
erscheint fraglich. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im kommenden
Jahr sollte sich Rot-Grün auf eine muntere Debatte mit Einzelhändlern
und Städten gefasst machen.

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