WAZ: Privatsphäre hat Grenzen. Kommentar von Dietmar Seher

Die Wohnung ist und bleibt für den Rechtsstaat
weitgehend eine Tabuzone. Das war, bis 2002, sogar bei mutmaßlicher
Gewalt in Familien so. Strafverfolger durften hier nur in engen
Grenzen auf den Plan treten. Das Gewaltschutzgesetz hat das geändert
und die Kriminalstatistik auf den Kopf gestellt. Heute, mehr als zehn
Jahre später, wissen wir, dass die Schläge von Mann gegen Frau, von
Eltern gegen Kinder, von Enkeln gegen Großeltern ein Massendelikt
sind, das Jahrzehnte ungeahndet blieb. Weil sich geprügelte Frauen in
der Not bei der Polizei melden und couragierte Nachbarn Alarm
schlagen, kann der Staat heute seiner Schutzpflicht schon beim
Anschein eines Verdachts nachkommen. Daraus darf eine Lehre für die
Zukunft gezogen werden: Die Achtung der „Privatsphäre“ muss da
aufhören, wo Menschen zu Schaden kommen. Alles andere ist ein rechts-
und gesellschaftspolitischer Skandal.

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