Die gute Nachricht vorweg: Den Bürgern in NRW bleibt
der fünfte Wahlgang binnen zwei Jahren wohl erspart. Ein Jahr nach
der Landtagswahl vom 9. Mai 2010 sieht es nicht mehr danach
aus, als würden SPD und Grüne, die im Landtag ohne eigene Mehrheit
regieren, vorzeitige Neuwahlen anstreben. Auch CDU und FDP winken
angesichts wenig ermutigender Umfragezahlen ab. Eine gute Nachricht
ist dies deshalb, weil es zum jetzigen Zeitpunkt keine sachlichen
politischen Gründe für Neuwahlen gäbe. Es ginge allein um
machtpolitisches Kalkül. Und für taktische Spielchen sind Wahlen
nicht da.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat sich schwer getan mit dem
Einstieg in die Minderheitsregierung. Die SPD-Frau, die ja erst von
den Grünen zu dem Experiment gedrängt werden musste, setzte zu Anfang
einseitig auf eine extrem hohe Neuverschuldung, um Wahlversprechen
wie kostenlose Kitas finanzieren zu können. Einseitig deshalb, weil
sie es versäumte, die Schuldenaufnahme mit klaren Sparsignalen zu
flankieren. Diesen Fehler hat Kraft inzwischen korrigiert – dass ihr
dabei deutlich steigende Steuereinnahmen in die Karten spielen,
er-leichtert ihr das Regieren erheblich. Das könnte sich ändern, wenn
das Fiasko mit der WestLB in die Milliarden gehen sollte.
Eine politische Rechnung Krafts ist nicht aufgegangen. Die von ihr
ausgerufene „Koalition der Einladung“ findet kaum Zuspruch. Die
Spekulation, CDU oder FDP für einzelne Gesetze als
Mehrheitsbeschaffer für die Minderheitsregierung zu gewinnen,
erfüllte sich kaum einmal. So stützt sich Rot-Grün vor allem auf die
Linkspartei, die der Regierung in allen wichtigen Vorhaben zur
Mehrheit verhilft. Die Linken ihrerseits machen vor allem mit
Drohgebärden gegen die Regierung von sich reden. Letztlich lenken
sie, wie bei ihrer Forderung nach einer noch schnelleren Abschaffung
der Studiengebühren, doch ein. Denn das Drohpotenzial ist begrenzt.
Sollten sie Rot-Grün die Unterstützung entziehen und Neuwahlen
erzwingen, müssten sie den Umfragen zufolge damit rechnen, nicht
wieder in den Landtag einzuziehen.
Fazit: Obwohl ohne eigene Mehrheit, fasst Rot-Grün langsam Tritt.
Gefahren lauern weniger bei der Opposition als in der fragilen
NRW-Finanzlage. Mit baldigen Neuwahlen ist nicht zu rechnen.
Regierungschefin Kraft arbeitet noch an ihrem Amtsbonus. Gut denkbar,
dass sie den Termin der Bundestagswahl 2013 nutzt, um auch in NRW neu
wählen zu lassen.
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