Wie oft hat Horst Seehofer in der Euro-Krise rote
Linien markiert, mal offen, mal verklausuliert mit dem Bruch der
Koalition gedroht? Gefühlt: 100 Mal. Nichts passierte. Er ist
hilflos. Aus drei Gründen. Erstens: Die Deutschen sind sorglos. Das
Abschneiden bei der Fußball-EM bewegte sie mehr als die Euro-Krise.
Zweitens: Seehofer könnte nicht seine Hand dafür ins Feuer legen,
dass die CSU in Berlin ihm folgen würde. Drittens: Es wäre auch
nichts mit dem Sturz der Kanzlerin gewonnen. Ans Ruder kämen SPD und
Grüne. Seehofers Unruhe ist verständlich. Die Kanzlerin hat einen
schweren Stand in der EU. Daheim erwächst der CSU mit den Freien
Wählern ein Gegner, der die Euro-Skepsis aufgreift. Dagegen muss
Seehofer mit Merkel im selben Boot sitzen. Sie steuert, er rudert.
Wenn sie Schiffbruch erleidet, geht er mit unter. Die Union hat eine
große Tradition in der Europapolitik, aber sie trägt die Schuld für
eine Ursünde: Kohl führte den Euro ohne eine koordinierte
Wirtschafts- und Finanzunion ein. Folge: Einige Staaten sind
wettbewerbsfähig, andere nicht und zudem hoch verschuldet. Was hätte
Kohl getan? Seine Enkelin weiß nur, was sie nicht will – keine
Inflation und auch keine Haftung für Schulden. Entweder man drängt
schwache Länder raus oder stützt den Euro-Raum um jeden Preis.
Irgendwo dazwischen verläuft Merkels Kurs, sehr behutsam, sehr
langsam. Wie Fahren im Nebel. Wer nicht mehr Durchblick hat, sollte
es ihr aber nicht unnötig schwer machen.
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