Gegen die Wand
von Joerg Helge Wagner
Drohen uns nun gar acht Landtagswahlen im laufenden Jahr?
Zumindest wäre die Achte mal eine, der die schwarz-gelbe
Bundesregierung nicht mit Bangen entgegensehen müsste. Im Gegenteil:
Merkel, Westerwelle und Seehofer dürften berechtigte Hoffnung hegen,
mit einem außerplanmäßigen Urnengang in NRW die verlorene
Bundesratsmehrheit zurückzuerobern, denn alle Umfragewerte für das
bevölkerungsreichste Bundesland sind seit gestern Makulatur.
Ausgerechnet die in NRW mitregierenden Grünen hatten ja schon von
vorgezogenen Neuwahlen gesprochen, falls der Nachtragshaushalt samt
Rekord-Neuverschuldung juristisch verhindert werde – und danach sieht
es nun aus. Doch noch halten sich Konservative und Liberale, die im
Düsseldorfer Landtag in der Opposition sind, mit entsprechenden
Forderungen zurück – und das hat seine Gründe. Zunächst ist es
schlicht politisch klug, nach der einstweiligen Anordnung auch die
Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die aber fällt erst am 15.
Februar. Die Opposition kann also noch wochenlang ganz entspannt
zusehen, wie sich die Regierung abmüht, ohne Etat und ohne
Parlamentsmehrheit ihre Wahlversprechen einzulösen. Neue Kredite auf
Basis des Nachtragshaushaltes darf sie nämlich nicht mehr aufnehmen.
Bei den Wählern steht sie aber im Wort, etwa mit der Abschaffung der
Studiengebühren – das belastet den Etat pro Jahr mit rund 250
Millionen Euro. Und die Linke, die dem Etat in einer chaotischen
Abstimmung die absolute Mehrheit verschafft hat, erwartet auch noch
den Verzicht auf jeglichen Personalabbau im Öffentlichen Dienst – die
Personalkosten machen aber schon 44 Prozent des Landeshaushalts aus.
Diese Fallen hat Rot-Grün sich selbst gestellt. Dass bei CDU und FDP
die Schadenfreude nicht überschäumt, liegt wohl an der Erkenntnis,
dass man auch selbst den Nachfolgern einige Erblasten hinterlassen
hat. Die Entschädigung der Kommunen durch das Land für den
Kita-Ausbau etwa: Die hatte im Oktober ebenfalls das
Landesverfassungsgericht verfügt. Dieser Zwei-Milliarden-Brocken, der
bis 2013 zu stemmen ist, rührt freilich noch aus Zeiten der
schwarz-gelben Regierung, die sich gegenüber den Nöten der Kommunen
schlicht taub stellte. Und das auslösende Bundesgesetz hatte zuvor
die Große Koalition in Berlin erlassen – wobei die SPD nicht als
Bremser aufgefallen ist, ging es doch um eine soziale Wohltat. Auch
das 1,3 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“ zur Rettung der
maroden Landesbank WestLB ist keine Erfindung des amtierenden
Finanzministers Walter Borjans, sondern seines CDU-Vorgängers Helmut
Linssen. Und es ist ebenfalls ein CDU-Promi, der als
Verkaufsbeauftragter für die WestLB händeringend neue Eigentümer
sucht: der Anwalt Friedrich Merz. Dessen Job würde ohne das
Sondervermögen sicher nicht einfacher. So weit, so traurig. Fakt ist
aber eben auch, dass die neuen Schulden, die Rot-Grün machen wollte,
über den Investitionen lagen und damit die Kreditverfassungsgrenze
verletzten. Man ist mit Vorsatz gegen die Wand gefahren. Das wird
sich auch am 15. Februar nicht anders darstellen – und nach der
juristischen Klarstellung ist die politische Frage zu beantworten,
wie man so in neun Jahren die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten
Schuldenbremse erfüllen will. Ein Lehrstück für Bremen? Natürlich,
auch für die Opposition. Ein Normenkontrollverfahren zum
Landeshaushalt könnte auch aus der Bürgerschaft beantragt werden, ein
Fünftel der gesetzlichen Mitglieder reicht dafür aus – das würden CDU
und FDP ja noch zusammenbekommen, wenn sie denn wollten.
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