Weser-Kurier:Über den ersten Auftritt der neuen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka im Bundestag schreibt der Bremer WESER-KURIER:

Johanna Wanka bleibt ihrem Politikstil auch im
neuen Job treu. Die CDU-Politikerin, bis vor wenigen Tagen
Wissenschaftsministerin der abgewählten Landesregierung in Hannover,
fährt auf Sicht. Und die Strecke ist übersichtlich. Sieben Monate
sind es nur noch bis zur Bundestagswahl. Bei ihrem ersten großen
Auftritt vor der Presse in Berlin ist die neue Bundesministerin nicht
der Versuchung erlegen, übereifrig gleich ein ganzes Potpourri an
Aktionen, Maßnahmen und Programmen vorzustellen – was bei
Regierungsmitgliedern, gleich welcher Couleur, in Berlin schon mal
vorkommen soll. Wanka hingegen will sich zunächst den Themen widmen,
deren zeitnahe Umsetzung wichtig und gleichzeitig zumindest nicht
chancenlos ist. Da nennt sie etwa die Fortschreibung des
Hochschulpakts mit den Bundesländern, weil die Zahl der Studenten in
den vergangenen Jahren um 500000 nach oben geschnellt ist. Die
Ministerin gilt als besonnen und pragmatisch, kann aber auch
hartnäckig sein – und so vergisst sie nicht anzumerken, dass sie an
der vorgesehenen Kofinanzierung des Paktes durch die Länder
festhalten will. Ein wichtiges Signal. Auch den Staatsvertrag über
die wechselseitige Anerkennung von Lehrerabschlüssen will sie ins
Ziel bringen, die Verhandlungen der Länder darüber sind weit
fortgeschritten. Die Nachfolgerin von Annette Schavan hat sich
gestern betont realistisch gegeben. So ist sie skeptisch, ob sich bei
der Reform des Kooperationsverbots schnell Fortschritte erreichen
lassen. Tatsächlich muss hier ein Gordischer Knoten durchschlagen
werden: Die Länder wollen mehr Geld vom Bund, aber möglichst wenige
Kompetenzen im Bildungsbereich abgeben. Der Bund hingegen will nicht
nur den Zahlemann spielen, sondern auch mitreden. Ganz wichtig ist
eine Lockerung des Kooperationsverbots zum Beispiel für die
Inklusion. Die Einbindung von behinderten Kindern und Jugendlichen in
die Regelschule wird Milliarden Euro kosten – da sind die klammen
Länder allein schlichtweg überfordert. Wankas Problem könnte zunächst
sein, dass sie bis zur Bundestagswahl am 22. September eine „lame
duck“ ist. Denn niemand weiß, ob sie über den Tag hinaus noch zum
Gelingen des Riesenprojekts „Bildungsrepublik Deutschland“ beitragen
kann.

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