Westdeutsche Zeitung: Bundesverfassungsgericht = von Peter Kurz

Das Bundesverfassungsgericht spricht Urteile –
zu Fällen, die an die Richter herangetragen werden. Es mischt sich
nicht aktiv in die Politik ein. Gemessen an dieser idealtypischen
Beschreibung erscheint der Richterspruch in Sachen NPD mustergültig:
Die Richter urteilen nur über einen Verbotsantrag, geben aber nicht
vorher ihre Einschätzung. Sie sind keine Obergutachter, denen die
Politik eine Frage vorlegt, bevor sie, die Politik, entscheidet. Ein
solches Gutachterverfahren gab es zwar früher mal beim
Verfassungsgericht. Doch dieses abzuschaffen, war gut: Es ist nicht
der Job der Richter, mitzuregieren. Eben das täten sie, wenn sie der
Politik im Vorfeld mitteilten, wo es langgeht. Halt, werden jetzt
viele rufen. Eben diese Einmischung hat es doch eben erst gegeben.
Einerseits durch das Adoptionsurteil in Sachen Homo-Ehe, durch das
die Richter familienpolitische Weichen stellten. Und, noch
provokativer, durch Äußerungen des Gerichtspräsidenten, dessen Worte
als Ankündigung gewertet wurden, dass gleichgeschlechtliche Partner
demnächst steuerlich gleichgestellt werden. Gewiss wäre es schlauer,
wenn Andreas Voßkuhle einfach wartete, bis sein Gericht am Zug ist.
Auch dann werden sie früh genug kommen – die Vorwürfe, dass Karlsruhe
den Ersatz-Gesetzgeber spielt. Aber wie soll das auch anders sein bei
einer Instanz, zu deren Kompetenz es nun mal gehört, Gesetze für
verfassungswidrig zu erklären? Unpolitisch im strengen Sinne kann das
Verfassungsgericht gar nicht sein. Aber anders als die Politik kann
es sich nicht einfach ein Thema vorknöpfen. Es legt die Verfassung
aus – wenn es gefragt wird. Und von wem wird es gefragt? Eben von den
Politikern, die mit ihrem „Wir gehen nach Karlsruhe“ immer wieder
Korrekturen verlangen. Das ist schon seit Jahrzehnten so. Ebenso gibt
es seit Jahrzehnten die Richterschelte der in Karlsruhe Unterlegenen,
die aber immer mehr den grummelnden Politikern schadeten als dem
hohen Ansehen der Verfassungsrichter. Deren Urteile zeigen immer
wieder, wie gewissenhaft sie das Pro und Kontra abwägen. Statt auf
ein Urteil aus Karlsruhe zu starren wie das Kaninchen auf die
Schlange, haben die Politiker einen Weg, der den Richtern versperrt
ist: selbst initiativ zu werden, selbst zu handeln, selbst Gesetze zu
machen.

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