Westdeutsche Zeitung: Entwicklungsminister Dirk Niebel fordert E10-Verkaufsstopp – Gehören Mais und Getreide in den Tank? Ein Kommentar von Madeleine Gullert

Dirk Niebels (FDP) Forderung, den Verkauf von
E10 sofort zu stoppen, kann man schnell als populistisch abtun. Oder
als einen Versuch, sich im nachrichtenarmen Sommerloch zu
profilieren.

Doch Niebels Forderung ist nicht so absurd wie die seines
Parteikollegen Jorgo Chatzimarkakis. Der hatte jüngst gefordert,
Deutschen den Griechenlandurlaub zu subventionieren. Niebel hat sich
nichts weniger als den globalen Hunger der Welt vorgenommen – und
sagt E10 den Kampf an. Dass er das günstigste Benzin in Deutschland
vom Markt nehmen möchte, kann er sich bei den autoverliebten
Deutschen nur trauen, weil sie dem Biosprit seit Einführung sowieso
skeptisch gegenüber stehen – allerdings eher aus Angst um den
Automotor, nicht wegen der Lebensmittelsituation.

Fraglich ist, ob Biosprit tatsächlich für den globalen Hunger
verantwortlich ist. Seit Jahren schon kritisieren Kirchen und
Hilfsorganisationen die Förderung von Agrarkraftstoffen, wenn dies
zulasten der Nahrungsmittelproduktion geschieht. Tatsache ist, dass
Agrarflächen, auf denen Mais, Getreide oder Zuckerrohr für die
Produktion von E10 angebaut wird, nicht mehr dem Lebensmittelmarkt
zur Verfügung stehen. Doch in Deutschland wurde im vergangenen Jahr
nur vier Prozent der Getreideernte für die Produktion von Biosprit
benutzt. Das machte etwa 0,1 Prozent der Weltgetreideernte aus. Ein
E10-Verkaufsstop hierzulande würde global wenig ändern. Ein Großteil
des Getreides wird für die Tiermast verwendet. Das könnte der
Verbraucher ändern, indem er beispielsweise weniger Fleisch ist.

Es ist zu einfach, den Biosprit für den globalen Hunger
verantwortlich zu machen. Die meisten Experten sehen darin höchstens
einen kleinen Baustein in einer Kette an Gründen für steigende
Lebensmittelpreise – neben dem Wetter, Energiepreisen und dem
Bevölkerungswachstum.

Mit den größten Einfluss haben die Spekulanten an den Börsen.
Wegen der Dürre in den USA steigen die Preise, weil man einen Mangel
erwartet – obwohl die Welternte vermutlich nur zwei Prozent unter der
vom vergangenen Jahr liegen wird. Ein Stopp der
Nahrungsmittel-Spekulation würde den Entwicklungsländern mehr helfen
als ein E10-Verkaufsverbot.

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