Westdeutsche Zeitung: Für einen neuen SPD-Kanzlerkandidaten ist es jetzt zu spät = von Lothar Leuschen

Kaum noch 100 Tage vor der Bundestagswahl
könnte die Ausgangslage der Hauptkontrahenten unterschiedlicher nicht
sein. Hier die Kanzlerin, Angela Merkel, die morgen und am Mittwoch
unter größter öffentlicher Anteilnahme den US-amerikanischen
Präsidenten Barack Obama empfängt. Dort der Herausforderer, der
SPD-Kandidat Peer Steinbrück, der von der Führungsspitze seiner
Partei Rückendeckung einfordern muss, weil er sie sonst offenbar
nicht bekommt. Während die Union in Umfragen um die 40-Prozent-Marke
landet, kommt die einstige Volkspartei SPD je nach Institut nur noch
auf 24, maximal 27 Prozent. Gleichzeitig stabilisieren sich die
Grünen im zweistelligen Bereich und frohlocken die Linken. Sie peilen
mit ihren postsozialistischen Fantastereien nun schon wieder die
Zehn-Prozent-Marke an.

Und schuld daran ist nur die SPD. Ihr ist es seit der Abwahl von
Gerhard Schröder nicht gelungen, das Profil als Partei der Erneuerung
zu wahren und zu schärfen. Stattdessen distanzierte sie sich immer
mehr von den eigenen Erfolgen. Die Selbstdemontage gipfelte in der
Ernennung eines eher bürgerlichen Kandidaten, der im Wahlkampf ein
deutlich linkes Programm vertreten muss. Wie das funktionieren soll,
haben sich nicht nur Sozialdemokraten in der Folgezeit oft gefragt.
Inzwischen wissen alle die Antwort: gar nicht. Gabriel als Parteichef
und Steinbrück als Kanzlerkandidat – das passt einfach nicht
zusammen.

Aber nun ist es zu spät, das Pferd zu wechseln, zumal im Stall der
SPD auch keines steht, das der Union gefährlich werden könnte.
Steinmeier ist schon einmal geschlagen worden, und andere auch nur
halbwegs aussichtsreiche Kandidaten sind nicht in Sicht. Also wird
die SPD nicht umhin können, sich zusammenzureißen und Peer Steinbrück
die Beinfreiheit zu geben, die er sich zum Start ins Rennen um das
Kanzleramt ausbedungen hat. Schließlich ist er Gabriel und den
anderen SPD-Linken mit seinem Sinneswandel zum flächendeckenden
Mindestlohn und zur höheren Besteuerung von Besserverdienenden schon
sehr weit entgegengekommen.

Gängelt die SPD ihren Kandidaten weiter, dann droht ihr
ausgerechnet in dem Jahr ein neues Wahldebakel, in dem sie ihr
150-jähriges Bestehen feiert.

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