Gerade in der Eurokrise sind die Aussagen der
Politiker mit Vorsicht zu genießen. Was heute ein Nein ist, kann
morgen ein wahrscheinliches Vielleicht und übermorgen eine eindeutige
Zustimmung sein. Monatelang haben die Kanzlerin und der
Bundesfinanzminister einen Sparaufschub für Griechenland kategorisch
ausgeschlossen. Beim gerade vertagten Treffen der Euro-Finanzminister
ging es bereits um die Folgen dieses Schrittes. Wenn Athen – wie
erwartet – zwei Jahre mehr Zeit erhält, die Auflagen zu erfüllen,
entstehen Mehrkosten von fast 33 Milliarden Euro. Die obersten
Kassenwarte wollten darüber beraten, wie die Rechnung zu bezahlen
ist, haben das wichtigste aber vergessen: die Geldbörse. Keiner will
die Mehrkosten stemmen. Denn die nationalen Parlamente müssten
zustimmen. Folglich deutete Angela Merkel eine Nachjustierung am
Rettungsschirm EFSF an, um Garantien für Griechenland zu erhöhen.
Dennoch behauptet Finanzminister Wolfgang Schäuble, alle Rezepte, die
die Eurogruppe diskutiere, seien ohne Einfluss auf den Bundesetat
2013. Prompt folgt seine Einschränkung: zumindest die Maßnahmen, die
Berlin vertrete, kosteten den deutschen Steuerzahler zunächst nichts.
Dabei gibt niemand eine Garantie, dass die Euro-Finanzminister in
einer Woche nach den deutschen Vorgaben entscheiden werden. Und was
ist, wenn Athen die Schulden nicht zurückzahlen kann? Mit dem Hin-
und Hergeschiebe von Geldströmen ist es nicht getan. Sowohl der schon
beschlossene Schuldenrückkauf der Griechen als auch der noch
diskutierte Zinsrabatt für Athen kosten Geld, das das Rettungstrio
aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationaler
Währungsfonds (IWF) auf den Tisch legen müssen. Das Problem dabei
sind aber die roten Linien, die die schwarz-gelbe Koalition selbst
gezogen und mehrfach überschritten hat. Noch vor 30 Monaten schloss
die Bundeskanzlerin jegliche Hilfe für Griechenland aus. Jetzt
erscheint sicher, dass selbst zwei milliardenschwere Rettungspakete
für Athen kaum ausreichen werden. Nur fehlt den Akteuren in Berlin
und Brüssel der Mut, das offen zuzugeben. Auch der beim
Unternehmertag in Bielefeld gefeierte Eurogruppenchef Jean-Claude
Juncker weckt neue Erwartungen, die unerfüllbar sind. Er sehe gute
Chancen, am Montag eine »endgültige, einvernehmliche Lösung« zu
erreichen. Schön wär–s. Zumindest hier wird die Kanzlerin deutlich
und schwört Deutschland auf eine lang andauernde Rettung
Griechenlands ein. Wenn die Bürger jetzt noch erfahren würden, was
sie für die Rettung zahlen müssen, könnten Vorbehalte in der
Bevölkerung ausgeräumt werden. Völlig unangebracht sind hier
Ratschläge der Opposition. Die von der SPD favorisierten gemeinsame
Anleihen der Euroländer (»Eurobonds«) gelten als verfassungsrechtlich
bedenklich, sind in ihrer Wirksamkeit umstritten und über ihre wahren
Kosten kann kein Sozialdemokrat verlässlich Auskunft geben. Soviel
Ehrlichkeit muss sein.
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