Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Islamkonferenz

Die Islamkonferenz könnte eine Institution sein,
die Wegweiser für den Dialog der Religionen schafft. Diese Chance ist
gestern nicht genutzt worden. Anstatt Lösungen für Missstände zu
suchen, verdrängten Aussagen von Unionsfraktionschef Volker Kauder
(CDU) und die Debatte um Salafisten wichtige Themen rund um den
Islam. Dabei benötigen viele Alltagsprobleme von Muslimen dringend
mehr Aufmerksamkeit. Den Satz »Der Islam gehört nicht zu Deutschland«
unmittelbar vor der Islamkonferenz zu sagen, ist an Berechnung kaum
zu überbieten. Kauders Gedanke, Muslime seien Teil der deutschen
Gesellschaft, der Islam aber nicht, ist schwer nachvollziehbar. Es
verbietet sich ohnehin, Integration mit medienwirksam platzierten
Provokationen zu thematisieren. Auf diese Weise in islamkritischen
Gewässern auf Wählerfang zu gehen, ist unerträglich. Wenn Muslime zu
Deutschland gehören, muss auch ihr Glaube anerkannt werden. In diesem
Punkt hatte der frühere Bundespräsident Christian Wulff Recht. Damals
traute sich Kauder nicht, ihm deutlich zu widersprechen. Natürlich
lässt sich darüber streiten, ob der Islam historisch gesehen zur
Bundesrepublik gehört. Das tut er sicher nicht. Doch die Tatsache,
dass viele Muslime hier eine Heimat gefunden haben und ihren Glauben
leben, darf nicht ignoriert werden. Obwohl die radikal-islamischen
Salafisten, die Korane verteilen, nicht auf der Tagesordnung der
Konferenz stehen sollten, verurteilte Bundesinnenminister Hans-Peter
Friedrich (CSU) die Aktivitäten der Salafisten. Verurteilen reicht
nicht. Es braucht eine politische Antwort, wie radikalen Aktionen
Einhalt geboten werden kann. Das beginnt bei der Aufklärung über
demokratiefeindliche Tendenzen und endet bei der Frage, wie ihnen
strafrechtlich beizukommen ist. Warme Worte ohne Konsequenz bringen
nichts. Als bahnbrechender Erfolg der Konferenz wird nun die
Verurteilung von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat verkauft. Das ist
zwar ein positives Signal. Es verschweigt aber einen Skandal. Es
hätte niemals so lange dauern dürfen, bis diese Erklärung
unterzeichnet wurde. Die restlichen Ergebnisse sind schwach:
Angesichts einer Neonazi-Mordserie, der Benachteiligung vieler
Muslime auf dem Arbeitsmarkt und der Debatte um die Rolle der Frau
reichen Informationsmaterial über Rollenbilder von Mädchen und eine
Broschüre über religiöse Praxis im Beruf nicht aus. So tritt die
Konferenz auf der Stelle und macht es Volker Kauder leicht, Inhalte
durch Parolen zu übertünchen. Wenn die Islamkonferenz wirklich
Signale setzen will, muss sie sich trauen, Missstände anzuprangern.
Forderungen müssen auf den Tisch. Viele lägen sogar auf der Hand:
Schließlich hat sich auf politischer Ebene nach der NSU-Mordserie
fast nichts getan. Die Strukturen sollten verändert werden, nichts
ist passiert. Wenn jetzt nicht der richtige Anlass ist, um
aufzubegehren, wann dann?

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