China ist wütend. Seine Regierung protestiert
gegen die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Bürgerrechtler
Liu Xiaobo und droht mit »ernsten Konsequenzen« für Länder, die
morgen an der Zeremonie teilnehmen. Xiaobo sei ein Krimineller, der
Friedensnobelpreis sei eine Einmischung in die inneren
Angelegenheiten der Volksrepublik. Xiaobo sitzt wegen »Anstiftung zur
Untergrabung der Staatsgewalt« für elf Jahre in Haft. Er hatte 2008
die »Charta 08« für Demokratie und Menschenrechte entworfen und wurde
am 8. Dezember 2008 verhaftet. 18 Staaten haben inzwischen erklärt,
keinen Vertreter nach Stockholm schicken zu wollen: Russland,
Kasachstan, die Ukraine, Serbien, Kolumbien, Tunesien, Saudi-Arabien,
Pakistan, der Irak, der Iran, Vietnam, Afghanistan, Venezuela, die
Philippinen, Ägypten, Sudan, Kuba und Marokko. Die Liste dieser
Länder entblößt den Stellenwert von Freiheit und Menschenrechte in
den Staaten, die sich dem chinesischen Druck gebeugt haben.
Angesichts des Boykotts lässt sich die Welt in zwei Lager einteilen –
in Länder mit Schutz der Menschenrechte und Länder, in denen die
Grundrechte einen niedrigen Stellenwert genießen. In Saudi-Arabien
grassieren weiterhin Sklaverei, Leibeigenschaft und die
Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen; eine politische
Opposition ist verboten. Kuba, wo »verfassungsfeindliche Tätigkeiten«
mit Gefängnis bestraft werden, ist mehrfach von der
UN-Menschenrechtskommission gerügt worden. In Russland ist der
Zustand der Menschenrechte besonders kläglich: Willkürliche
Inhaftierungen, Folter, außergerichtliche Hinrichtungen und Tötung
von Journalisten sind nicht ungewöhnlich. In Brüssel wird man
aufmerksam registrieren, dass auch Serbien, das immerhin einen
EU-Beitrittsantrag gestellt hat, am chinesischen Boykott teilnimmt.
Auch im Iran, im Irak und in Afghanistan gelten Menschenrechte wenig.
Der offizielle Protest gegen den Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo
enthüllt erneut die prekäre Lage der Menschenrechte in China. Wieder
ist die Welt damit beschäftigt, illegale Inhaftierungen, die
Verletzung der Pressefreiheit und die massive Anwendung der
Todesstrafe in China anzuprangern. Peking versucht, den Schaden durch
die Verleihung eines eigenen »Friedensnobelpreises« zu mindern. Doch
das ist nichts als Propaganda. Die USA, die EU und Japan haben in der
Nobelpreisfrage den Schulterschluss praktiziert und der chinesischen
Propaganda keine Chance gegeben. Dennoch wäre es zu wünschen, dass
sich China langfristig in Richtung Freiheit, Demokratie und
Menschenrechte entwickelt und somit zulässt, dass sich eine
friedliche und konstruktive Beziehung zwischen China und den
freiheitlichen Demokratien entwickeln kann. Die gemäßigten
Dissidenten Chinas lassen hoffen, dass sich das Regime langfristig
von innen erweichen lässt.
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Andreas Kolesch
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